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Rocklegenden Das funktioniert auch ein drittes Mal

Was vor vier Jahren als Experiment startete, ist heute eine Institution. Die "Rocklegenden" gastierten in der Getec-Arena Magdeburg.

Von Thomas Linßner 22.01.2018, 00:01

Magdeburg l „Wir wollten mal sehen, ob das auch ein drittes Mal funktioniert“, ruft Karat-Sänger Claudius Dreilich den Leuten zu. Der Applaus des Publikums beantwortet seine Frage. Rund 4000 Karten seien laut Veranstalter schon im Vorverkauf über den Tresen gegangen.

Einer der ersten Titel ist „Albatros“ von Karat. Für DDR-Bürger war das Achtminuten-Werk schlechthin der Sehnsuchtssong von Freiheit und Weite. Es ist einer jener Texte im Ostrock, dem mit wohldosierter Anspielung gelang, eine Zensur zu umgehen. „Es ist ja so ein bisschen betreutes Musizieren, wenn wir in unserem Alter durch die Lande reisen“, kokettiert Toni Krahl (68) gerne mit seinem Alter. Neben dem Frontmann von City trifft das besonders auf Puhdy Dieter Birr (73) zu, der schon 1984 androhte: „Es ist keine Ente. Wir spielen bis zur Rockerrente.“ Nur Claudius Dreilich, der in die Fußstapfen seines verstorbenen Vaters Herbert trat, senkt mit seinen 47 Jahren den Altersdurchschnitt der Rockerriege. Und die ist immer noch kein bisschen leise und ziemlich agil auf der Bühne.

In der Getec-Arena beginnen die Rocklegenden ihren Auftritt mit dem Titel „Leuchtspuren“, der das Zeug zur Hymne hat. Er handelt von der Kraft der Musik, von den Liedern, die einen ein Leben lang begleiten. Rock ist seit Jahrzehnten ihr Lebenselixier, singen seine Protagonisten. „Wir sind vom selben Holz geschnitzt“, verkünden Toni Krahl und Maschine.

Bei „Ich liebe jede Stunde“ liefert sich Keyboarder Martin Becker ein Mundharmonika-Duell mit Toni Krahl, dass die Wände wackeln. Und überhaupt: Für die Rocklegenden-Tour wurden einige Titel neu arrangiert.

Besonders gut tut das dem 1973er Puhdys-Klassiker „Geh zu ihr“. Die Macher von „Wertungssendungen“, wie damals DDR-Hitparaden hießen, bekamen haufenweise Post. Junge Zuhörer, die bisher auf Deutsch nur seichte Schlagertexte, egal ob Ost oder West, gewohnt waren, staunten: Sollte mit der Textzeile „Geh zu ihr und lass Deinen Drachen steigen ...“ wirklich das gemeint sein, wonach es klang?! Die Moderatoren wanden sich, die Zuhörer feixten.

Bei der aktuellen Rocklegenden-Tour schöpfen die Akteure alle Möglichkeiten eines gemeinsamen Konzertes voll aus. Immer wieder besuchen sie sich gegenseitig auf der Riesenbühne, Karat spielt Puhdys, City Karat, Silly-Gitarrist Uwe Hassbecker parliert als Geiger mit Georgi Gogow beim Überflieger „Am Fenster“. Es ist ein Musiker-Kollektiv, wie es im Buche steht: spielfreudig, einander zugewandt und ohne Allüren.

Als Gast ist Matthias Reim mit von der Partie, der eigentlich nur einen großen Hit im Westen hatte. Nach anfänglicher Skepsis steht fest: Reim passt zu den Ostrockern. Warum auch nicht! Schließlich sagt Maschine: „Holt mal einen Stuhl für Matthias, was jetzt kommt, ist ein Sitzlied.“ Gemeint ist Bettina Wegners wundervolles Stück „Sind so kleine Hände...“, das City mit aufs Programm hob und Reim jetzt zusammen mit Krahl singt.

Am Ende der Show stehen wie zu Beginn alle Rocklegenden auf der Arena-Bühne. Das Publikum ist glücklich, aber nach fast drei Stunden etwas erschöpft. Dieter „Maschine“ Birr muss der Zugabe auf die Sprünge helfen: „Wollt ihr noch einen hören?“ Die Leute wollen. „Wir haben was erlebt und meistens dasselbe, im Feinstaubrevier zwischen Oder und Elbe. Wir kennen uns aus, denn wir kennen‘s von innen. Seit ‘nem halben Jahrhundert – und können ein Lied davon singen.“