Gefallene des Dreißigjährigen Krieges wurden für Sonderausstellung in Halle per CT analysiert Röntgenbilder geben Soldaten ein Gesicht
Vor 380 Jahren sind sie gefallen. Nun erhalten sie wieder ein Gesicht. Schädel von Soldaten, die im Dreißigjährigen Krieg bei Lützen starben, wurden per Computertomographie akribisch analysiert.
Halle (dpa) l Ältere Knochenbrüche, ausgeschlagene Zähne, Vitamin D-Mangel. Röntgenaufnahmen zeigen detailliert, wie die Männer zu Lebzeiten litten. Per Computertomographie haben Experten in Halle die Schädel von acht Soldaten untersucht, die alle ein gemeinsames Schicksal erlitten: Sie starben in einem der blutigsten Kämpfe des Dreißigjährigen Krieges, der Schlacht vom 16. November 1632 bei Lützen (Burgenlandkreis). Nun sollen einige der Gefallenen wieder ein Gesicht bekommen - für eine Sonderausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle. Die Schau soll später auch in Schweden, Finnland und Estland zu sehen sein.
Die geröntgten Schädel stammen aus einem Massengrab mit 47 Toten. Archäologen hatten es 2011 auf Grundlage historischer Quellen des 17. und 18. Jahrhunderts entdeckt. Das 1,10 Meter tiefe und 6 mal 7 Meter große Grab wurde im Herbst 2011 in zwei tonnenschweren Blöcken geborgen - und seit März 2012 im Landesmuseum für Vorgeschichte akribisch freigelegt.
"Gesichter der Soldaten werden mit Computerbildern rekonstruiert."
Archäologen vom Museum und Mediziner des Universitätsklinikums Halle erstellten detailgetreue 3-D-Aufnahmen. "Die Computerbilder sind auch Grundlage für eine Gesichtsrekonstruktion der Soldaten", erklärt Anthropologin Nicole Niklisch von der Universität Mainz. "Geplant ist, ein bis zwei Gesichter lebensecht zu modellieren." Auf einem der Röntgenbilder sei genau zu sehen, wie die Kugel in den Hinterkopf eines Soldaten eindrang und dann im Inneren des Schädels in viele kleine Teile zersplitterte, sagt Oberarzt Silvio Brandt.
Die Jüngsten der Toten aus dem Massengrab waren 14 bis 16 Jahre und die Ältesten 35 bis 45 Jahre alt, wie Nicklisch sagt. Die 1,65 Meter bis 1,80 Meter großen Kämpfer hätten tödliche Schuss-, Hieb- und Stichverletzungen gehabt. Anhand der Beschaffenheit der Knochen konnten bei einigen Toten die Knocheninfektionskrankheit Syphilis und Mangelkrankheiten nachgewiesen werden. Etliche Soldaten hatten auch ältere Knochenbrüche und ausgeschlagene Zähne aus vorherigen Kämpfen.
Mit Hilfe umfangreicher DNA- und Isotopenanalysen wollen die Wissenschaftler mögliche weitere Krankheiten sowie Ernährungsgewohnheiten und die Herkunft der Soldaten klären.
"Die Ergebnisse liegen Ende 2014 vor", sagt Kurt Werner Alt, Professor für prähistorische Anthropologie und molekulare Archäologie an der Universität Mainz. "Wir werden für alle der 47 Getöteten eine individuelle Biografie erstellen. Damit geben wir dem Krieg ein Gesicht."
"Das Massengrab soll als Mahnmal gegen den Krieg verstanden werden."
Die Sonderausstellung zur Schlacht in Lützen ist für Ende 2015 im Landesmuseum Halle geplant, wie Ausstellungsleiter Michael Schefzik ankündigt. "Das Massengrab soll als Mahnmal gegen den Krieg verstanden werden." Es stehe stellvertretend für die vielen namenlosen Soldaten. "Das waren keine glücklichen Krieger, sondern Menschen, die aus schierer Not Landsknechte waren", sagt Schefzik. Einen endgültigen Platz soll die Ausstellung in Lützen finden. "Voraussetzung ist aber der Bau eines Besucherzentrums", sagt der Archäologe.
Deutsche und schwedische Archäologen hatten zwischen 2006 und 2009 das 1,1 Millionen Quadratmeter große ehemalige Schlachtfeld bei Lützen mit Metallsonden abgesucht - und dabei rund 3500 Überreste der Schlacht geborgen. Darunter Schnallen, Gewehrkugeln, Knöpfe und Beschläge von Rüstungen.