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Verkehrsunfall Beweis per Autokamera - ja oder nein?

Können Aufnahmen, die eine Kamera im Auto zum Beispiel von Unfällen in Sachsen-Anhalt macht, gerichtlich verwertet werden?

Von Bernd Kaufholz 09.04.2018, 01:01

Magdeburg l Der Fall durchlief schon zwei Instanzen. Seinen Anfang nahm er auf einer Magdeburger Straße. An der Johanniskirche waren zwei Autos, jedes auf einer separaten Linksabbiegerspur, seitlich zusammengestoßen. Der Pkw des links fahrenden Klägers wurde dabei vorn rechts, der des rechts vor ihm fahrenden Beklagten hinten links beschädigt. Die Schadenssumme: rund 3000 Euro. Beide Unfallbeteiligte sind sich sicher, dass der jeweils andere die Spur verlassen hat.
Knackpunkt des Verfahrens ist allerdings die Frage, ob es zulässig ist, die Bilder einer sogenannten Dashcam im Zivilstreit zu verwerten. Denn der Kläger hatte solch kleine, fest-installierte Kamera im Auto.
Das Amtsgericht Magdeburg hatte im Dezember dem Kläger nur die Hälfte seines Gesamtschadens zugesprochen, weil er nicht den Nachweis erbringen konnte, dass sein Unfallgegner die Spur verlassen hat. Die Zeugin, Beifahrerin des Klägers, habe laut Amtsgerichts-Urteil nicht genau sagen können, wo sich das Kläger-Fahrzeug während der Kollision befunden hat. Und auch ein vom Gericht bestellter Gutachter blieb vage: Aus technischer Sicht seien beide Schilderungen des Geschehens „prinzipiell möglich“.
Das Angebot des Klägers, die Aufnahmen seiner Dashcam zu verwerten, wurde abgelehnt. Und auch das Landgericht Magdeburg, als zweite Instanz, hatte die Berufung zurückgewiesen. Aufzeichnungen verstößen gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen und dürften somit nicht als Beweis verwertet werden. Allerdings ließ die Berufungskammer ausdrücklich die Revision vor dem Bundesgerichtshof zu.
Der Magdeburger Rechtsanwalt Andreas Gummert, der den Beklagten vertritt, ist ganz klar gegen Videoverwertung, wenn die Kamera über eine lange Zeit aufzeichnet. Im konkreten Fall sei das eine Stunde lang gewesen. „Da wird jedes Nummernschild, jeder Verkehrsteilnehmer aufgenommen. Da habe ich Probleme mit den Persönlichkeitsrechten.“ Bei kurzen Aufzeichnungen im Zusammenhang mit einem Unfall sehe das hingegen anders aus. Der Experte für Verkehrsrecht hofft in diesem Sinne auf eine „vermittelnde Lösung“ durch den BGH. Sollte das Gericht jedoch dem Kläger recht geben, wird die Sache ans Landgericht Magdeburg zurückverwiesen. Dann muss sich der Gutachter, der das bisher noch nicht getan hat, das Video ansehen.
Klägeranwalt, Andreas Petersen aus dem nieder- sächsischen Lüchow, spricht von „gesundem Menschenverstand“, der dazu führen sollte, Videos als Beweismittel zuzulassen. „Für meinen Mandanten hieße das, dass eindeutig zu erkennen wäre, dass er geschnitten wurde.“ Passanten seien die gesamte Zeit nicht zu sehen, „also werden auch keine Persönlichkeitsrechte verletzt“.Es sei gut, dass das Landgericht Magdeburg die Revision zugelassen habe. „Damit die Sache endlich grundsätzlich geklärt wird.“
Dass die Meinungen auseinandergehen, beweist auch das Urteil des 13. Zivilsenats am Oberlandesgerichts Nürnberg, der im August 2017 in einem ähnlichen Fall entschieden hat, dass Aufzeichnungen von Dashcams in einem Zivilprozess verwertet werden dürfen. „Das Interesse des Beweisführers an einem effektiven Rechtsschutz und seinem Anspruch auf rechtliches Gehör überwiege das Interesse des Unfallgegners an dessen Persönlichkeitsrecht.“
Insbesondere dann, wenn andere zuverlässige Beweismittel nicht zur Verfügung stünden.