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Schmerzmittel Engpass durch mehr Rezepte für Cannabis

Die Nachfrage von Patienten nach Cannabis-Medikamenten hält sich in Sachsen-Anhalt in Grenzen - trotzdem gibt es einen Cannabis-Engpass.

Von Bernd Kaufholz 14.09.2018, 01:01

Magdeburg l Rund drei Viertel aller Anträge auf Verschreibung von cannabishaltigen Arzneien werden von den zwei großen gesetzlichen Krankenkassen genehmigt. Das ergab eine Volksstimme-Nachfrage bei AOK und Barmer in Sachsen-Anhalt. Demnach gingen seit Freigabe der Droge im März 2007 bei beiden Krankenkassen 520 Anträge von Patienten ein, bei der Barmer 195 und bei der AOK 325.

Eigene deutschlandweite Erhebungen der Barmer ergaben, dass in Bayern 1085 Anträge gestellt und 355 genehmigt wurden. Sachsen-Anhalt liegt im Ländervergleich mit 140 bewilligten und 55 abgelehnten Anträgen im Mittelfeld.

Doch Ärzte heben bereits warnend den Finger. „Um Cannabis als Medizin ist ein Hype entstanden, der nur im Einzelfall berechtigt ist“, sagt Dr. Ursula Marschall, leitende Medizinerin bei der Barmer. „Cannabis-Arzneien dürfen nun bei vielen Erkrankungen verordnet werden, auch, wenn deren Wirkung wissenschaftlich nicht hinlänglich bewiesen ist.“

Ähnlich sieht es Dr. Detlef Klauck, Arzneimittelspezialist bei der Apothekerkammer Sachsen-Anhalts. „Die Inhaltsstoffe waren doch schon vor der gesetzlichen Regelung verfügbar. Was jetzt passiert, ist doch lediglich die Umsetzung eines politischen Willens, zu dem man so und so stehen kann.“ Aus fachlicher Sicht seien Cannabis-Medikamente überflüssig. Von 37.000 Studien darüber seien vielleicht 100 seriös. „Wissenschaftliche Belege für die vermuteten Effekte fehlen.“

Weil die Cannabis-Inhaltsstoffe schon seit 150 Jahren bekannt seien, könne man das Naturprodukt nicht patentieren lassen. „Kein Patent, kein Verkauf, kein Geld und somit auch keine Mittel, um wissenschaftliche Studien zu erstellen“, so Klauck. Das Herumrätseln bliebe.

Die Nachfrage nach ärztlich verordnetem Cannabis habe allerdings bereits zu Engpässen bei der Versorgung geführt, sagt der Experte. „Das Harz ist kein Problem, aber da in Deutschland keine Rohdroge verarbeitet wird, übersteigt der Bedarf an Cannabisblüten das Angebot.“

Die Apotheken greifen auf Cannabis aus Holland und Kanada zurück. Doch der Anbau in diesen Ländern sei eigentlich für den Eigenbedarf vorgesehen. „In Deutschland hat es eine Ausschreibung gegeben, an der sich fünf Firmen beteiligt haben. Die Sache war schon gelaufen, da hat ein Unterlegener geklagt.“ Das heiße: Eigenanbau in Deutschland sei erstmal vom Tisch – mindestens für ein Jahr.

Medizinerin Marschall verweist auf steigende Kosten: „Bundesweit hat die Barmer für Cannabis-Präparate bisher rund acht Millionen Euro ausgegeben. Die Fertigarzneien und Rezepturen haben pro Cannabis-Patienten durchschnittlich bei rund 500 Euro gelegen.“ Für Cannabis-Blüten seien es mehr als 1700 Euro. „Unverhältnismäßig teuer und in der Praxis kaum dosierbar“, lautet das Urteil der Expertin.