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Schülerfirmen Stullen schmieren statt Hausaufgaben

Als Schüler wirtschaftlich denken, handeln und alles ausprobieren? Das geht. In Schülerfirmen sind Schüler Geschäftsführer und Buchhaltern.

Von Sabrina Gorges, dpa 15.09.2016, 11:18

Querfurt (dpa) l Die Uhr über der Tür zeigt 9.49 Uhr. Als zum ersten Mal die Frage "Müssen wir nachschmieren?" aufkommt, ist die erste große Pause gerade einmal vier Minuten alt. "Käse ist gleich alle", sagt die 13 Jahre alte Lena, die dünne Handschuhe trägt und vorsichtig in Servietten geschlagene Käse- und Salami-Sandwiches über den Tresen reicht. "Zwee Salamis" bestellt ein Junge mit Baseballcap und Brille im regionaltypischen Dialekt. Einen Euro kostet ihn das, einen knackigen Apfel für 30 Cent nimmt er auch noch mit. Kurz darauf sind die vorbereiteten Tabletts mit den Vollkornbroten, die auch mit Frischkäse, Gurke und Salat belegt sind, leer. Nun steht fest: Es muss nachgeschmiert werden. "Besser als wegschmeißen", sagen alle und packen an. 

Immer mittwochs und freitags gehört die Frühstückspause in der Querfurter Sekundarschule "Quer-Bunt" der Schülerfirma "Querfood-Company". 25 Minuten lang werden hungrige Schülermägen mit gesunden Sachen gefüllt, denn nicht jeder hat etwas Essbares von Zuhause in der Tasche. Meist gibt es belegte Brote und Obst, aber auch Würstchen und Eis hat das Team um Geschäftsführerin Alina (15) und Stellvertreter Benjamin (12) im Angebot. Dass sie selbst nicht zum Essen und Durchschnaufen kommen, stört keinen. "Wir wissen das ja. Ich esse dann einfach in der zweiten Pause", sagt Alina, während sie eine Gurke über den Hobel zieht.   

Um die Pausenversorgung in der Cafeteria im Erdgeschoss an zwei Wochentagen gewährleisten zu können, muss alles gut organisiert sein. Um 7.30 Uhr steht das vierköpfige Team bereit, um Klappstullen zu belegen und sie in Dreiecke zu schneiden. "Sie opfern ihre erste Stunde, die bei uns an der Schule eigentlich für Hausaufgaben vorgesehen ist", sagt die pädagogische Mitarbeiterin Monika Organo. "Die müssen sie dann zu einem anderen Zeitpunkt erledigen."

Organo betreut mit Lehrer Markus Preuß (28) die Schülerfirma, der insgesamt ein Dutzend Jungen und Mädchen angehören. Gearbeitet wird nach Schichtplan und weil die Firma ebenso zum Ganztagsangebot gehört wie Tischtennis und Fitness-Tänze, wird einmal wöchentlich 80 Minuten lang alles nachbereitet – also eingekauft und Geld gezählt.

Seit Mitte Juni ist das Unternehmen offiziell am Start. Für gutes Gelingen gab es sogar eine Anschubfinanzierung in Höhe von 250 Euro von der Investitionsbank Sachsen-Anhalt. Den Scheck haben sie stolz in die Nähe des Verkaufstresens gestellt – gut sichtbar für alle. Die zweite Schülerfirma in der Bildungseinrichtung, die rund 480 Schüler zählt, heißt "Quer-Statt-Schüler GmbH" und ist rein handwerklich orientiert. Im Angebot: Insektenhotels. 

Dass Geld in die Kasse kommt, ist wichtig. Zum Jahresende gibt es eine kleine Gewinnausschüttung an die fleißigen Mitarbeiter, der Rest wird investiert. In einen Drucker für die Schülerfirma und einen Profi-Würstchenwärmer zum Beispiel. Vom Rest, sagt Betreuungslehrer Preuß, wird einmal im Jahr eine Projektwoche gestaltet. Ein Firmenevent, wenn man so will. "Die Botschaft lautet: Die Schüler werden für ihre Arbeit entlohnt und erkennen, dass sich hohe Leistungsbereitschaft auszahlt", sagt er. Und Kollegin Organo ergänzt: "Dazu hat nicht jeder Lust." Trotzdem sind die Schülerfirmenteams personell stabil. 

Als Schüler wirtschaftlich zu denken, zu handeln und es dann auch wirklich auszuprobieren – darum geht es in einer Schülerfirma. Die "Querfood-Company" ist Teil des Gründerkids-Projekts der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung Sachsen-Anhalt (DKJS). 145 Schülerfirmen gibt es deren Angaben zufolge aktuell im Land. Mit einer Art Branchentreffen soll künftig deren Vernetzung verstärkt werden, sagt DKJS-Projektleiterin Claudia Köhler. "Wir proben das in den kommenden Wochen erst einmal regional in vier Städten", sagt sie. "Es geht um das Eintauchen ins echte Unternehmerleben, zum Beispiel in einem Hotel. Es ist wie eine Fortbildung angelegt und wir erhoffen uns Impulse für alle Beteiligten."