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Lehrernachwuchs Einer schafft es, zwei scheitern

Viele Schulen hoffen auf Lehrernachwuchs und werden enttäuscht. Viele studierte Lehrer hoffen auf eine Stelle und gehen leer aus.

Von Hagen Eichler 18.08.2016, 01:01

Magdeburg l Sachsen-Anhalts Schüler stecken wieder mitten im Alltag. Erik Kirst muss auf seinen ersten Schultag noch warten: Der 27-jährige Magdeburger beginnt als Referendar, startet also in den praktischen Teil seiner Ausbildung zum Lehrer. Erster Arbeitstag ist der 1. September. Kirst weiß, dass er als Neuling von den Schülern getestet wird. Doch das schreckt ihn nicht: „Ich glaube, dass ich mich durchsetzen kann. Man muss den Schülern etwas bieten, sonst wird es ihnen langweilig und sie machen Blödsinn.“

Kirst stammt aus Wernigerode, seine Eltern sind beide Lehrer. Ihrem Rat folgend sattelte der Student nach zwei wenig erfüllenden Semestern Informatik auf Lehramt am Gymnasium um. Die Universität musste er nicht wechseln: Die meisten angehenden Lehrer studieren zwar in Halle. Doch auch Magdeburg bildet aus – sofern in der gewählten Fächerkombination Technik oder Wirtschaft vorkommt.

Mit dem Referendariatsplatz in der Tasche gehört der angehende Lehrer für Technik und Englisch zur kleinen Schar der erfolgreichen Bewerber. Denn obwohl in Sachsen-Anhalt Lehrer fehlen, stellt das Land für den sogenannten Vorbereitungsdienst vergleichsweise wenig Plätze bereit. Fürs Lehramt Gymnasium etwa sind es 210. 65 davon wurden zum 1. September frei und neu besetzt. 449 Bewerbungen registrierte das Landesschulamt.

Besser sieht die Lage bei den anderen Schulformen aus. Dennoch: Unter dem Strich hat das Land in diesem Sommer zwei Drittel aller Bewerber zurückgewiesen.

Die Abgelehnten können oft kaum glauben, was ihnen geschieht – viele Schulen im Land wären ja froh über jede Verstärkung. „Meine Verwandten fragen mich, warum ich noch nicht arbeite“, sagt ein 29-Jähriger, der im Juni an einer hessischen Universität das erste Staatsexamen absolviert hat und gern nach Magdeburg zurückkehren würde. Mit der Fächerkombination Geschichte und Geografie hat er sich beworben. Zurück kam eine Ablehnung. Seither steht der Uni-Absolvent auf der Warteliste.

Vor zwei Jahren hat der Landtag die Zahl der Referendariatsplätze erhöht, von 520 auf 620. Längst ist klar, dass auch das nicht reicht. Bildungsminister Marco Tullner (CDU) sagt, das Land werde die Ausbildungskapazitäten „kontinuierlich steigern müssen, sowohl in den Universitäten als auch in den Lehrerseminaren“.

Bis Ende 2018 soll die Zahl der Referendare schrittweise auf 830 steigen. So haben es CDU, SPD und Grüne im Koalitionsvertrag verabredet. Allerdings: Das Ganze muss noch bezahlt werden. Schon bald wird Tullner mit den anderen Ministern um Geld ringen müssen: Vor der Tür steht die Haushaltsklausur zum Doppelhaushalt 2017/2018.

Der Magdeburger Kirst freut sich, dass er nach Jahren des Studiums das Gelernte endlich anwenden kann. Anfangen wird er in der Wolmirstedter Gutenberg-Schule. Er freut sich darauf: „Zu sehen, wie sich Schüler entwickeln – das ist doch etwas Tolles.“ Meinung