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Sowjetarmee Die landhungrige Streitmacht

Wie jetzt bekannt wurde, hatte die Rote Armee 1116 größere Stützpunkte unter Beschlag, in Sachsen-Anhalt allein 114.

Von Steffen Honig 11.04.2019, 01:01

Magdeburg l Das Deutsch-Russische Museum in Berlin-Karlshorst hat Ende März 2019 eine Datenbank mit allen bekannten Liegenschaften der sowjetischen und russischen Truppen in Ostdeutschland online gestellt. Sie verzeichnet 1116 Objekte, die der Rote Armee unterstanden. Bisher war die Zahl von 1026 aus den 1980er Jahren maßgebend gewesen. Damals wollten DDR-Behörden mit dem Einverständnis der Sowjets wissen, wo genau deren Truppen stationiert waren. Wegen der wahrnehmbaren Tendenz, dass die Verbündeten wachsenden Landhunger zeigten.

Erfasst wurden unterschiedliche Liegenschaften Siedlungen, Depots, Lager, Bunker, Truppenübungsgebiete oder Flugplätze. Für das Gebiet Sachsen-Anhalts waren insgesamt 114 Objekte erfasst. In der Online-Datenbank taucht auch Ilfeld auf – das jedoch liegt in Thüringen. Zur besseren Übersicht sind auf der Karte die verschiedenen Standorte in Magdeburg und Halle sowie in Haldensleben durch nur ein Symbol gekennzeichnet.

Die Truppen trugen in den fast 50 Jahren ihrer Anwesenheit in Deutschland drei verschiedene Bezeichnungen: von 1945 bis 1954 heißen sie „Gruppe der Sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland“, von 1954 bis 1988 „Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland“ und von 1989 bis 1994 „Westgruppe der Truppen“.

Die in der DDR-Bevölkerung übliche Bezeichnung war „Russen“. Staat und Partei versuchten vergebens, stattdessen den Begriff „Freunde“ zu etablieren. Das Emblem der sowjetischen Truppen war ein weiß-roter Kreis mit dem Roten Stern und dem Kürzel „CA“ – den kyrillischen Anfangsbuchstaben für Sowjetische Armee.

Der Norden Sachsen-Anhalts – der damalige Bezirk Magdeburg – war von höchster strategischer Bedeutung für das sowjetische Militär. Hier lag ein Teil der Nahtstelle zwischen Nato und Warschauer Vertrag im Kalten Krieg.

Magdeburg war die am westlichsten gelegene Großstadt des Ostblocks. In der Elbestadt hatte die 3. (Stoß-)Armee der Sowjetischen Streitkräfte ihr Hauptkommando. Neben den Kasernen für Zehntausende Soldaten gab es eingezäunte Offiziersviertel mit eigenen Läden, sowjetische Schulen und einen Sperrbereich im Bahnhof.

Vom Brocken im Harz aus konnte die Telekommunikation zwischen der Bundesrepublik und Westberlin abgehört und tief ins Nato-Gebiet hinein gelauscht werden. Was die westlichen Allierten auf den gegenüberliegenden Gipfeln umgekehrt ganz genauso machten.

Direkt an der Westgrenze fiel den Sowjets auch ein idealer und ausgedehnter Übungsraum in die Hände: die Colbitz-Letzlinger Heide. Bereits zu Kaiserzeiten Raum für militärische Übungen, hatten auch die Nazis des Terrain genutzt. Die Rote Armee übernahm es und sperrte die Heide für die Zeit der Besetzung großflächig ab.

An Sperrgebieten war kein Mangel. Auch mitten in Magdeburg nicht, wo im Herrenkrug ebenfalls ein seit der Monarchie vorhandendes Kasernengelände samt benachbartem Villenviertel in russische Verwaltung überging.

Das Areal ist zugleich eines der grandiosesten Beispiele für die Umwidmung militärischer Liegenschaften nach der Wiedervereinigung. Dort, wo noch zehn Jahre zuvor Panzer gedröhnt und Soldaten exerziert hatten, lud Magdeburg 1999 zur Bundesgartenschau ein. Die Offiziersvillen wurden saniert, in der Nachbarschaft zog mit der Hochschule Magdeburg-Stendal die Wissenschaft ein.

An anderen Stellen gammeln russische Hinterlassenschaften indes weiter vor sich hin. Zu viel selbst für 25 Jahre.