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Special Olympics Hier ist jeder ein Sieger

Bei den 4. Special Olympics Sachsen-Anhalts in der Osterburger Landessportschule sind 267 Sportler mit geistiger Behinderung am Start.

Von Janette Beck 29.09.2017, 01:01

Osterburg l „Auf die Plätze, fertig, los!“ Um 9.30 Uhr fällt am Donnerstag auf dem Gelände der Landessportschule der Startschuss zu den Wettkämpfen. Endlich, möchte man sagen. Überall strahlende Gesichter. Frisch gestärkt beim gemeinsamen Frühstück in der Mensa geht jetzt die Post ab. Die am Vortag an die Aktiven ausgeteilten Akkreditierungen baumeln um den Hals und statten die Träger ganz offensichtlich mit einer Riesenportion Stolz und Selbstbewusstsein aus. „Sport macht stark“, tippt der 13-jährige Paul auf seine Muckis am Arm und flitzt schnurstracks zum Kugelstoßen.

Die Vorfreude auf den Wettkampf ist nicht zu übersehen. Die Sportschuhe geschnürt, warten die meisten nur darauf, in den vom Land gesponserten, blauen Teilnehmer-Shirts mit dem Aufdruck „Stark im Team für Sachsen-Anhalt“ loszulegen. Frank Diesener, der Landesvorsitzende der Special Olympics, plaudert derweil aus dem Nähkästchen: „Beides - Akkreditierung und das T-Shirt – sind den Teilnehmern heilig. Es macht sie mächtig stolz, das tragen zu dürfen. Und die meisten sind damit ins Bett gegangen. Aber das ist doch okay, so muss das sein.“

Nach der Premiere 2013 sind es erst die 4. Sportspiele der Special Olympics in Sachsen-Anhalt. Und erstmals finden sie in Osterburg und auch über zwei Tage statt. Das Angebot ist vielfältig. Und es geht weit über den Sport hinaus. So sind von sechs Gesundheitsprogrammen der SOD zwei vertreten - es geht um die richtige Zahnpflege und gesunde Ernährung.

In fünf Sportarten (Leichtathletik, Fußball, Schwimmen, Tischtennis, Floorball) sowie bei den wettbewerbsfreien Angeboten könnten sich die geistig Behinderten verschiedenster Altersklassen austoben und die Kräfte messen. In der Leichtathletik und im Schwimmen ist es sogar möglich, sich mit Top-Leistungen für die nationalen Spiele 2018 in Kiel zu qualifizieren. Im Sinne der Chancengleichheit werden die Teilnehmer in Klassen eingestuft (Anfänger, Fortgeschrittene und Top-Athleten).

„Wir stecken immer noch in den Kinderschuhen. Das sieht man auch daran, dass wir bei den nationalen Spielen 2016 in Hannover gerade mal 17 Teilnehmer stellen konnten. Zum Vergleich: Aus Bayern waren über 1000 Sportler am Start. So viele Mitglieder haben wir gerade mal im Land“, erklärt Diesener, Initiator und Gründungsmitglied der SO in Sachsen-Anhalt. „Unser Ziel ist es, die Strukturen im Land weiter auszubauen, uns ein Netzwerk zu schaffen, um noch mehr Menschen mit geistiger Behinderung für den Sport zu begeistern“, so der 50-jährige Leiter der Förderschule Reinhard Lakomy in Halberstadt, der sich „mit viel Liebe, Lust und Leidenschaft“ ehrenamtlich engagiert. Wichtig ist ihm dabei der Hinweis: „Niemand geht bei uns ohne etwas nach Hause. Es gibt Medaillen sowie Platzierungs- und Teilnehmerschleifen.“

Einer, der mit Fug und Recht von sich sagen kann: „Ich gehöre zu den Besten der Welt“, ist Maximilian Zabel. Der 19-Jährige ist Athletensprecher der Special Olympics Sachsen-Anhalt. Er trainiert zweimal in der Woche bei den Speed-Skatern in Halle mit. „Im Verein trainieren behinderte und ganz normale Skater zusammen. Alle sind lieb zu mir. Ich gehöre dazu, so wie ich bin, und keiner lacht über mich. Das finde ich gut“, erklärt der gebürtige Hallenser, der bei World Games in Los Angeles 2015 Silber über 1500 Meter und Bronze mit der Staffel gewonnen hat.

Wie es geht, zeigt auch Jasmin. Die 15-Jährige ist in Osterburg eine der jüngsten Teilnehmerinnen im Floorball. Die Harzerin „kann‘s einfach“, wie Alex (18), noch ein blutiger Anfänger, neidvoll feststellt. „Das kommt vom Training“, vermutet er. In der Tat, vier Jahre spielt das Mädchen schon Floorball. Inzwischen ist sie ein voll inte­griertes Mitglied im Wenigeröder Floorball-Team, das gerade die deutschen U-17-Meisterschaften gewonnen hat. Die Angreiferin („Tore mache ich besonders gern.“) trainiert einmal die Woche. „Geistig behindert, nicht behindert - das macht bei uns keinen Unterschied. Im Sport sind alle gleich. Und die Erfolge motivieren Jasmin, immer besser zu werden“, ist Stützpunkttrainer Mario Vordank von seiner „Musterschülerin“ begeistert.

Noch ganz am Anfang steht Susanne. Die 29-Jährige („Ich habe frühkindlichen Autismus, weißt du, was das ist?“) erklärt, sie sei das erste Mal bei den Sportspielen dabei. Die Hallenserin ist auf dem „Schnupperkurs“ unterwegs. „Guck mal, hier steht drauf, wo ich überall hingehen muss. Wenn ich das an der Station gut gemacht habe, kriege ich einen Stempel“, zeigt sie stolz auf ihren „Laufzettel“.

Auch Josie (14) und Monie (12), die zur 12-köpfigen „Abordnung“ der Regenbogenschule in Landsberg gehören, lachen sich beim erstmalig praktizierten Kugelstoßen schlapp: „Boah, die sind ja schwer!“ Doch sofort hat die Freundinnen der Ehrgeiz gepackt. „Ich kann weiter als Du!“

Nele Marike, Schülerin am Gymnasium in Osterburg und freiwillige Helferin, ist von der „Offenheit“, „puren Lebensfreude“ und „Unkompliziertheit“ der Sportler überrascht. „Man kommt sonst ja nicht so oft in Kontakt mit geistig Behinderten. Für mich ist das eine wichtige und wertvolle Erfahrung.“

Maxima Stobinski vom Osterburger Schwimmverein nimmt indes am sogenannten „Unified-Wettbwerb“ teil. „Da schwimme ich als Nichtbehinderte in einer Staffel zusammen mit Behinderten. Am Ende sind wir alle Sieger. Das ist ein schönes Gefühl.“

Und Tina (14) neben ihr verrät: „Ich war heute nicht so gut. Aber gestern bei der Disco, da habe ich abgerockt und eine neue Freundin gefunden. Anna. Sie schwimmt auch gerne. Und nächstes Jahr treffen wir uns hier wieder.“