Mord an Studentin Spekulationen überschatten Ermittlungen
Nach dem Mord an einer chinesischen Studentin in Dessau machen Spekulationen um familiäre Verquickungen die Runde.
Dessau-Roßlau (dpa) l Eine chinesische Studentin wird ermordet und eine Stadt ist erschüttert. Knapp zwei Wochen brauchen die Ermittler in Dessau-Roßlau, um die Tatverdächtigen zu präsentieren. Ein junges Paar sitzt wegen des Sexualmordes in Untersuchungshaft. Ein entscheidender Schritt schien damit getan, aber die Ermittler kommen nicht zur Ruhe – geraten sogar selbst unter Druck. Spekulationen um angebliche Informationslecks bei der Polizei und familiäre Verquickungen machen die Runde. Ein Leitender Oberstaatsanwalt gerät in die Kritik. Wie konnte das passieren? Alles begann am 11. Mai. Die 25 Jahre alte chinesische Architekturstudentin kehrt von ihrer üblichen Joggingrunde durch die Bauhaus-Stadt nicht zurück. Eine aufwendige Suche läuft an. Dann der Schock: Ihre Leiche wird schwer entstellt in einem Gebüsch im Stadtzentrum gefunden. Keine zwei Wochen dauert es, bis der Leitende Oberstaatsanwalt Folker Bittmann vor die Kameras tritt und einen Ermittlungserfolg verkündet: Einem jungen Pärchen aus Dessau – beide 20 Jahre alt – wird vorgeworfen, die Chinesin ermordet zu haben.
Der Verdächtige erschien von sich aus bei der Polizei. Bei seiner Aussage gab er zu, dass die DNA-Spuren an der Leiche von ihm stammen könnten, weil er und seine Freundin sich mit der Asiatin zum einvernehmlichen Sex getroffen hätten. Bittmann meldet an der Version, die aus Sicht der Ermittler nicht stimmen kann, Zweifel an. Er geht bei der Pressekonferenz auch auf die Mutter des Verdächtigen ein. Demnach habe der Sohn vor dem Gang zur Polizei Kontakt zu der Frau gesucht, Bittmann sagt auch, dass die Mutter einen „sehr seriösen und angesehenen Beruf“ ausübe. Was er nicht sagt: Die Mutter ist Polizistin, ebenso der Stiefvater des Tatverdächtigen. Spekulationen über mögliche Einflussnahmen werden laut. Der Polizistensohn war schon früher mit kleineren Delikten auffällig geworden. Auf einmal wirft der Mordfall ganz neue Fragen auf.
Das Innenministerium reagiert einen Tag später und entzieht der Dessauer Polizei den Fall. Stattdessen sind nun Kollegen in Halle zuständig. Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass es Verquickungen gibt. Dann taucht das Gerücht auf, die Eltern hätten dem Sohn beim Umzug aus dem Haus geholfen, das die Ermittler als Tatort ausgemacht haben - und zwar kurz nach dem Mord. Das LKA überprüft zudem frühere Ermittlungen gegen den Polizistensohn.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) befürchtet eine Vorverurteilung der Kollegen. Die Vielzahl der Details und auch dass die Eltern in mancher Veröffentlichung erkennbar würden, kritisiert der Landesvorsitzende Uwe Petermann. „Dass man intern überprüft, halte ich für richtig, aber dass manche Dinge jetzt öffentlich werden, halte ich für schwierig.“
Inzwischen gibt die Staatsanwaltschaft kaum noch Informationen heraus – E-Mails mit Presseanfragen bleiben unbeantwortet.