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Spezialitäten Das Aroma der Rose

Birgit Dähnrich lässt in Stendal die Uckermärker Küchenrose kulinarisch aufleben.

Von Sibylle Sperling 15.07.2017, 23:01

Stendal l Birgit Dähnrich liebt Rosen. „Vielleicht ein Mädchentraum“, sagt sie und zuckt lachend ihre Schultern. Die Blume macht sie glücklich und sie ist sich sicher, dass diese Leidenschaft sie gesund gemacht hat. Sie denkt an ihr Herz, ihr Gelee und ihre Torten. „Klar kann man Rosen essen“, sagt sie, als sei das die selbstverständlichste Sache der Welt. „Sie geben Wärme und Nähe und sind gut fürs Herz.“ Schon lange verkauft ihr Ehemann Ulf ihre handgemachten Spezialitäten im eigenen Naturkostladen. Gelee, Rohrohrzucker, Salz, Tee oder Likör mit Rosenblüten aus Stendal.

Es gab mehrere Gründe, eines Tages mit der kulinarischen Verarbeitung anzufangen, erinnert sich Birgit Dähnrich: ihre Gesundheit, die biologische Rosenschule, und es gab eine Familientradition. „Ich bin auf dem Schönhauser Damm im ehemaligen Forsthaus von Otto von Bismarck aufgewachsen. In unserem Garten standen Rosen.“ Sie hat ihren Vater vor Augen. „Er hat meiner Mutti immer eine Rose gepflückt. Es war seine Art zu sagen: Ich liebe dich.“

Vielleicht durfte die Königin der Blumen in ihren Gärten deshalb nie fehlen. Als sie den schattigen Hof des Stendaler Gerberhofs in ein rosafarbenes Meer verwandeln wollte, ging die Rechnung nicht auf. „Wo kein Lüftchen weht, bekommen Rosen Schädlinge“, weiß sie heute und deutet zum Hinterhaus. „Dafür wachsen sie jetzt im Garten hinterm Haus. Meterhoch! Im Café kann ich das üppige Grün sehen und sogar riechen“, schwärmt sie. Eine Rose ist ihr in den vergangenen Jahren besonders ans Herz gewachsen. Die „Rosaerai de l’Hay“ die sich als Uckermärker Küchenrose einen Namen gemacht hat.

Auf den ersten Blick erinnert sie an eine Heckenrose, doch ihr Blütenblatt ist prall gefüllt und kann kulinarisch verarbeitet werden. „Andere werden beim Kochen seifig, die Küchenrose nicht. Ihre Blütenblätter haben einen würzigen Geschmack. Das ist ihr Geheimnis“, verrät die Stendalerin.

Erste Kochversuche gab es vor fünf Jahren - zusammen mit ihrem Mann, der Ernährungsexperte und Leiter ihrer gemeinsamen Kochschule ist.

Auf einem Markt in Berlin hatten die beiden Andrea Genschorek, die Besitzerin der biologischen Rosenschule, kennengelernt und sie wenig später auf ihrem uckermärkischen Hof besucht. Birgit Dähnrich spürte sofort Sympathie - zu ihr, ihrem Konzept und zur Uckermark. Das weite Land hatte sie an ihre Sommerferien bei Großmutter und an die Altmark erinnert. Schon ein Jahr später kam das Paar wieder. Inspiriert durch die Rosenzüchterin waren sie angereist, um Rosenblüten zu pflücken und zu verarbeiten. „Für die Torten haben wir damals jedes Blatt mit Eiweiß und Zucker bestrichen.“, erinnert sich Birgit Dähnrich. „Zwei Jahre später habe ich die kandierten Blüten hervorgeholt. Da war immer noch dieser intensive Duft!“

Längst hat sich die Stendalerin die ‚Rosaerai de l’Hay’ in ihren Pachtgarten geholt. Seit Mai radelt die Berufsschullehrerin in die wildromantische Oase, alle drei Tage. Bis Oktober ist Saison. Die Küchenrose steht zwei Meter hoch, zwischen dem Grün der Blätter leuchten die Blüten purpur-violett. Behutsam legt sie die Blüten in einen Korb. Ein weißes Tuch darunter sorgt dafür, dass die Insekten rauskrabbeln können. „Die Rosenkäfer sollen ja nicht mit konserviert werden. Und töten möchte ich sie auch nicht.“

Insekten gehören genauso in ihre Oase wie Brennnesseln. Die stehen fast mannshoch hinter den Rosen, zwischen lilafarbenem Salbei und weißen Margeriten fliegen Hummeln, auf der Obstbaumwiese wachsen Rot- und Weißklee. Birgit Dähnrich hat was gegen Chemiekeulen, ihre Rosen bekommen Kaffeesatz, Rasenschnitt, Wasser und Luft. 250 Blüten hatte sie an einem Tag geerntet, doch dann kommentiert sie vorsichtig: „Russisch Roulette.“ Frost hatte den Knospen zu schaffen gemacht. Zumindest standen Anfang Juni in ihrer Küche schon wieder 50 Gläser Rosenblüten-Gelee. „Die meisten bekommt Andrea.“

Die Rosenzüchterin ist eine gute Freundin geworden und verkauft auf ihrem Hof nun auch Rosen-Spezialitäten aus der Altmark. „Die Idee mit den Torten ist zwar von ihr, aber das Gelee ist meine Kreation.“ Viel improvisiert hatte Birgit Dähnrich anfangs, bis sie Torte und Blütengelee zusammengebracht hatte. Mittlerweile füllt sie das Gebäck mit Rosengelee aus Apfelsaft, Wasser, Sekt oder Chardonnaytraubensaft. Beim traditionellen Rosenfest in der Uckermark werden an die 50 Torten verputzt. Mit dieser Zahl weiß die Bäckerin umzugehen. „In Stendal ist das nicht möglich, aber wenn die Gäste unter meinen duftenden Büschen sitzen …“

Anfang Mai hat sie ihr Rosencafé eröffnet. Honigfarbene Küchlein liegen im Buffet, in der Vitrine kühlen Torten, auch ihre Rosentorte. Die lilafarbenen Rosenblätter leuchten auf der Schlagsahne, darunter befindet sich ein Teig aus selbstgeschrotetem Dinkel. Für milde Süße sorgen Honigmarzipan und Rosenblütenzucker.

„Manche Gäste kommen, weil sie gesunden Kuchen essen wollen. Als neulich ein Gast nach Buchweizen gefragt hat, war ich ganz Ohr. Andere wiederum möchten einfach nur Kuchen essen.“ Auch wenn die Dähnrichs vollwertig essen und auf Industriezucker verzichten, müssen das ihre Gäste noch lange nicht. Im Gegenteil - Birgit Dähnrich hat Freude daran, ihre Koch- und Backleidenschaft an andere weiterzugeben. „In einem Blütenkochkurs haben wir Rosenbowle mit Prosecco gemacht. Es war was übrig und da habe ich einem Gast zu einem Gläschen animiert. Der Nachmittag verlangt geradezu danach, habe ich gesagt.“

Die Cafébesitzerin wirkt glücklich. In ihrem grauen Haar steckt eine dunkelrote Blüte, auf ihrem Kleid wachsen zarte Rosen. Wie bekommt sie das alles unter einen Hut - ihre Schule, den Garten, das Rosencafé, Kochkurse? „Die Schule steht an erster Stelle. Die Rosen und der Garten sind Freizeit. Was man gerne macht, ist keine Arbeit. Ich kann mir Stress machen und ich kann glücklich sein. Die Rose, der Duft, die Farbe – das macht mir Freude.“