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Stalingrad Magdeburger scheitern an „Höhe 102“

Die verlorene Schlacht leitete die Wende an der Ostfront ein. Eine Magdeburger Einheit kämpfte sich bis zur Wolga.

01.02.2019, 23:01

Magdeburg l Am 13. September 1942 begann in Stalingrad der deutsche Angriff auf die Innenstadt. Bereits einen Tag später, nachmittags, brachen die ersten Soldaten zur Wolga durch. Sie gehörten zur 295. Infanterie-Division, aufgestellt in Magdeburg.

Die Spitzen des Nazireiches bis hin zum Führer Adolf Hitler frohlockten: Der Fall von Stalingrad würde dem Namensgeber der Stadt, Sowjetführer („Woschd“) Josef Stalin, endgültig das Genick brechen. Es kam genau andersherum.

Auch die 295. Division erlebte nach Anfangserfolgen den Niedergang. Ihr Hauptkampfgebiet war die „Höhe 102“, der Mamajew-Hügel. Hier steht heute die „Mutter Heimat“-Statue, das Mahnmal an den sowjetischen Sieg in dieser kriegsentscheidenden Schlacht.

Immer wieder berannten die Infanteristen der Magdeburger Division die von der Roten Armee mit aller Kraft verteidigte Anhöhe. Sie hatte enorme strategische Bedeutung, konnten doch von hier aus mit Geschützen alle Gefechtsschauplätze Stalingrads erreicht werden. Die deutschen Aggressoren konnten die „Höhe 102“ nie vollständig erobern. Für die 295. Division endete Stalingrad vernichtend – sie wurde bis zum Januar 1943 vollständig aufgerieben.

Schon hinter diesem kleinen Ausschnitt des Kampfgeschehens verbergen sich Tausende Einzelschicksale. Nur die wenigen Überlebenden konnten davon später berichten.

Willi Bethge aus Biederitz im Jerichower Land hat Stalingrad überlebt. Als junger Leutnant machte er den gesamten Feldzug an der Wolga mit, wie er damals der Volksstimme 2013 im hohen Alter von 97 Jahre berichtete.

Bethge, inzwischen verstorben, diente als Leutnant nicht in 295, sondern in der 44. Infanterie-Division der 6. Armee. Anfang 1943 wurde sein Bataillon von der sowjetischen Armee vernichtet. Er habe unwahrscheinlich Glück gehabt, am äußersten Eck des Kessels am großen Donbogen eingesetzt gewesen zu sein, meinte er. Tagelang wurde hier um den strategisch wichtigen Aussichtspunkt 124,5 gekämpft.

Bei Temperaturen um minus 40 Grad Kälte saßen hier sechs Mann dicht gedrängt Tag und Nacht im Bunker beieinander. Als Tagesration wurden bestenfalls eine Scheibe Kommissbrot, 10 Gramm Fett, 10 Gramm Wurst zugeteilt. Täglich gab es Tote auf beiden Seiten. Vom 4. Dezember 1942 bis zum 10. Januar 1943 harrte Willi Bethge am Aussichtspunkt aus, bis er schwer verletzt wurde. Auf einem Verbandsplatz wurde er operiert, die unzähligen blutverschmierten Verwundeten lagen hier auf dem Fußboden eines Bunkers.

Als er auf Krücken das Hilfslazarett verlassen konnte, wurde er von einem Soldaten gebeten, ihn mitzunehmen. Bethge: „Der Bauchraum des Soldaten war weit geöffnet und entstellt, so dass er unter entsetzlichen Qualen litt. Ich musste ihn zurücklassen.“ Bethge schaffte es, ausgeflogen zu werden. Die Erfahrung von Stalingrad hatte ihn zum entschiedenen Kriegsgegner gemacht: „Zum Glück sind die Menschen heute klüger und führen nicht mehr so viel Kriege, zumindest in Europa. Hoffentlich bleibt dies auch so.“

Ein bekannter Magdeburger stand indes in Stalingrad auf der anderen Seite der Front: der Arbeiterdichter Erich Weinert. Gemeinsam mit anderen kommunistischen deutschen Exilanten wie Walter Ulbricht versuchte er, durch Lautsprecher-Propaganda aus dem Schützengraben die Landser zum Überlaufen auf die russische Seite zu bewegen. Ein Appell mit geringer Wirkung: Die Aussicht auf russische Kriegsgefangenschaft war zu abschreckend.