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Steinewerfer Mordversuch auf der B 81

Ein unbekannter Steinewerfer attackierte am Mittwoch von einer Brücke über die Bundesstraße 81 einen vorbeifahrenden Lkw.

Von Matthias Fricke 03.11.2016, 00:01

Altenweddingen l Für den 46-jährigen André Ihloff aus Halberstadt wird in der Nacht zum Mittwoch die Horrorvorstellung eines jeden Autofahrers wahr. Als der Lkw-Fahrer eine Brücke bei Altenweddingen im Landkreis Börde auf der vierspurigen Bundesstraße 81 passiert, schlägt ein Pflasterstein mit voller Wucht in seiner Windschutzscheibe ein. Sie splittert. „Ich habe völlig schockiert gebremst und gleich die Polizei alarmiert“, erklärt er später. Der Rettungsdienst bringt den Mann mit Verletzungen im Gesicht und an den Augen in die Magdeburger Uniklinik.

Den Polizisten gibt der Brummifahrer noch einen wichtigen Hinweis: Er habe auf der Brücke Reflektoren und ein Rücklicht von einem Moped oder Motorrad gesehen.

Ihloff fährt seit 27 Jahren Laster über Deutschlands Autobahnen. Er sollte in jener Nacht mit seinem Tiefkühlauflieger von einer Großbäckerei in Osterweddingen Brote nach Gießen bringen. Ihm stand eine lange Nachtfahrt erst noch bevor.

Doch sie endet, bevor sie begonnen hat. „Das muss man erst einmal alles verdauen“, sagt er. Ob und wann er wieder ohne Angst in einen Lkw steigen kann, bleibt für ihn vorerst unklar. Ihloff: „Bisher kannte ich solche Angriffe nur aus dem Fernsehen.“

Es sind Bilder von zerstörten Windschutzscheiben und verunglückten Autos. Wie Ende September auf der Autobahn  7 bei Heidenheim. Dort traf ein zwölf Kilogramm schwerer Pflasterstein das Auto einer vierköpfigen Familie. Es kam von der Fahrbahn ab, überschlug sich mehrmals. Die Insassen wurden schwer verletzt. Die Polizei hat einen 36-Jährigen in Verdacht.

Ähnliche Unfälle gibt es immer wieder. Erst im August starb eine 33-jährige Deutsche, die mit ihrer Familie in Dänemark unterwegs war. Ein 30 Kilogramm schwerer Betonklotz hatte den Wagen getroffen. Der Mann der Getöteten wurde schwer verletzt, der fünfjährige Sohn kam mit Schrammen davon.

Auch in Sachsen-Anhalt ist dies nicht die erste Attacke eines solchen Brückenteufels. Im April vergangenen Jahres durchschlug auf der Bundesstraße 79 bei Dardesheim im Landkreis Harz ein fünf Kilogramm schwerer Feldstein die Windschutzscheibe eines Autofahrers aus Gera. Der Fahrer wurde durch Glassplitter verletzt, der Wagen kam an der Leitplanke zum Stehen. Auch in diesem Fall ermittelt die Polizei wegen versuchten Mordes. Doch einen Verdächtigen gibt es bis heute nicht.

Die Polizei erfasst solche Taten in keiner gesonderten Statistik. Mike von Hoff von der Polizeidirektion Nord: „Es passiert aber zum Glück auch nicht so häufig.“

Polizeipsychologe Georg Sieber aus München hat das Phänomen des „spontanen Tiefenwerfens“ über Jahre beobachtet: „Die Werfer sind meist männlich, müssen aber nicht immer jung sein.“ Als Hauptmotiv vermutet er den Nervenkitzel.

Die Ermittler in der Börde konnten am Mittwoch neben dem Stein auch Zigarettenkippen auf der Brücke sicherstellen. Auch erste Zeugen wurden vernommen. Polizeisprecher des Revieres Börde, Joachim Albrecht: „Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen wegen versuchten Mordes eingeleitet.“ Dem Täter droht eine Freiheitsstrafe zwischen drei Jahren und lebenslänglich.