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Straßenausbau Zwangsbeiträge werden abgeschafft

Auch in Sachsen-Anhalt müssen Hauseigentümer künftig nicht mehr Tausende Euro zahlen, wenn die Anliegerstraße saniert wird.

Von Jens Schmidt 10.09.2020, 18:44

Magdeburg l Werden Anliegerstraßen oder Gehwege auf Vordermann gebracht, müssen Gemeinde von den Grundstückseigentümern Ausbaubeiträge kassieren. Was diese finanziell oft überfordert. „Bescheide über 30. 000 bis 80.000 Euro waren keine Seltenheit, obwohl das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen bei nur 22 000 Euro im Jahr liegt“, sagte Cornelia Birkner von der Volksinitiative „Faire Straße“. Sie durfte gestern vor dem Landtag reden, da die Initiative 38.000 Unterschriften gegen Ausbaubeiträge gesammelt und sich damit ein Rederecht errungen hatte.

Der Druck von unten hat auch Bewegung in die Politik gebracht. Viele Bundesländer haben die Beiträge bereits verboten, nun legte Sachsen-Anhalts schwarz-rot-grüne Regierungskoalition ihren Gesetzentwurf vor. Es gibt drei Fälle.

Das Verbot: Die Beiträge werden rückwirkend zum 1. Januar 2020 abgeschafft. Das gilt für alle fertigen oder noch laufenden Ausbauten - sofern bis zum 31.12. 2019 keine Abschlussrechnung vom Unternehmen bei der Gemeinde eingegangen ist. Für diese Straßen ist nämlich noch keine „Beitragspflicht“ entstanden, wie es juristisch heißt. Haben Anlieger schon Zahlungen geleistet, bekommen sie ihr Geld zurück.

Die Kann-Regelung: In einigen Gemeinden sind die Straßen schon längt fertig, das Amt hat es aber bisher versäumt, Beitragsbescheide an die Anlieger zu schicken. Hier wird es den Gemeinderäten freigestellt, ob sie diese „Außenstände“ noch kassieren oder nicht. Auch die Kommunalaufsicht darf die Gemeinden nicht zum Abkassieren zwingen. Betroffen sind Ausbauten der Jahre 2017 bis 2019.

Die Verjährung: Fürs Kassieren haben Gemeinden vier Jahre Zeit; diese Regel gilt bereits jetzt. Kommt keine Rechnung, ist die Sache verjährt. Also: Ausbauten von 2016 und früher sind für Anlieger gratis.

Volksinitiative, Linke und AfD fordern ein rückwirkendes Verbot bis 2019. Doch das war in der Koalition nicht durchsetzbar, die CDU wollte zunächst ein Verbot erst ab 2021.

Strittig ist die Finanzierung. Für die laufenden Vorhaben bekommen die Gemeinden die wegfallenden Beiträge vom Land auf den Cent genau ersetzt. Ab 2022 soll es eine jährliche Pauschale von 15 Millionen Euro geben, die je nach Straßenlänge, Einwohnerzahl und Fläche auf die Gemeinden verteilt wird. Die Linke kritisierte die Summe als zu niedrig.

Umstritten ist auch die Kann-Regelung für die Zeit von 2017 bis 2019. Entscheiden sich Kommunen im Sinne der Anlieger für einen Beitragsverzicht, müssen sie die Kosten allein aus der Gemeindekasse tragen. „Hier wird der Schwarze Peter an die Gemeinden weitergereicht“, sagt Jürgen Leindecker, Chef des Städte und Gemeindebunds.