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Straßenausbausatzung Bürgermeister uneinig über Abgaben

In Sachsen-Anhalt zahlen Anlieger höchst unterschiedlich für eine sanierte Straße. Die Bürgermeister beurteilen das unterschiedlich.

Von Jens Schmidt 20.04.2019, 01:01

Magdeburg l Abschaffen oder nicht? So technokratisch kühl das Wort „Straßenausbau-Beiträge“ auch klingt - es erhitzt in vielen Gemeinden die Gemüter. Vor allem jetzt, wo der Kommunalwahlkampf auf Touren kommt.

Horst Flügel kann die Aufregung über zu hohe Beiträge allerdings nicht verstehen. Bei ihm in Klein Wanzleben muss niemand Tausende Euro zahlen, wenn eine Straße saniert wird. „2009 waren im Mittel mal 250 Euro fällig, zuletzt waren es im Schnitt etwa 70 Euro“, sagt Flügel, der seit 25 Jahren Bürgermeister im 1600-Einwohner-Ort ist. „Bei uns gab es kaum Beschwerden.“ Das hat Gründe. Klein Wanzleben erhebt „wiederkehrende Beiträge“. Das funktioniert so: Immer wenn im Ort eine Straße auf Vordermann gebracht wird, zahlen alle Hauseigentümer im Dorf die Rechnung. So wird die Last auf viele Schultern verteilt. Nachteil: Es zahlen immer alle, auch wenn die eigene Straße vor der Haustüre noch nicht an der Reihe war und man jahrelang durch Schlaglöcher fahren muss. Das ist nicht selten der Fall, da viele Gemeinden nicht genug Eigenmittel in der Kasse haben.

In den meisten der 218 Städte und Dörfer läuft es daher anders: Sie erheben den so genanten Einmalbeitrag. Dabei zahlen die Anlieger erst dann, wenn vor dem Haus auch gebaut wird. Allerdings ist das die harte Variante - denn die Abgaben sind deutlich höher. In Magdeburg etwa waren es 2017 in der Spitze gepfefferte 7000 Euro.

Eine Umfrage des Innenministeriums unter den Kommunen ergab: Im Land haben sich nur gut 20 Prozent für die milde, solidarische Variante entschieden. Darunter ist auch Hecklingen. Die 7000-Einwohner-Stadt im Salzlandkreis war die erste in Sachsen-Anhalt, die in den 90er Jahren auf den wiederkehrenden Beitrag umgestellt hatte. „Bereut haben wir das keineswegs“, sagt Bürgermeister Uwe Epperlein. „Es ist die sozialere Form.“ Aber: Gekippt gehört die Abgabe besser heute als morgen. Wieso das? „Weil jeder über seine Steuern schon für Infrastruktur bezahlt“, sagt Epperlein. Zudem: Der Verwaltungsaufwand sei hoch. Nach Berechnungen des Eigentümerverbands Haus und Grund gehen bis zu 50 Prozent der kassierten Abgaben für die Verwaltung drauf. Epperlein sieht sich auch „moralisch“ in der Klemme. Im Ortsteil Groß Börnecke etwa muss er jetzt Beiträge kassieren - obwohl die Einwohner der einst selbständigen Gemeinde in den 90er Jahren schon mal Einmalbeiträge bezahlt hatten. Doch das Gesetz will es so. „Ich bin definitiv fürs Abschaffen“, sagt Epperlein. Und hofft, dass der Landtag das Gesetz bald ändert.

Auch sein Kollege Flügel aus Klein Wanzleben denkt so: „Ich wäre nicht sauer, wenn die Beiträge abgeschafft würden.“ Trotz günstiger Preise und kaum vorhandener Proteste. Doch Bürgermeister wie Horst Flügel oder Uwe Epperlein können entspannt mit dem Thema umgehen. In Kommunen wie Hecklingen oder Klein Wanzleben gäbe es nämlich kein Gerechtigkeitsproblem, sollte die Zwangsabgabe mal fallen. Denn: Alle Hausbesitzer haben bislang eine überschaubere Summe bezahlt - und alle würden künftig befreit. Anders sieht es in Kommunen mit Einmalzahlung aus. Fiele die Zwangsabgabe jetzt weg, würden davon nur jene profitieren, deren Straße noch nicht saniert wurde. Alle anderen, die zum Teil Tausende abliefern mussten, hätten Pech gehabt.

Tangerhüttes Bürgermeister Andreas Brohm hält daher rein gar nichts davon, die Anliegerbeiträge zu kippen. „Das ist doch Quatsch“, wettert er. In der Stadt herrscht das System der Einmalbeiträge. „Wie soll ich das denen erklären, die vor zwei Jahren bezahlten haben?“, fragt Brohm. Er fordert das Land auf, lieber mehr Geld für Breitband-Ausbau oder Kitas auszugeben als Anlieger-Beiträge zu übernehmen.

Erste Berechnungen zeigen: Fällt der Beitrag weg, müsste das Land den Gemeinden im Jahr etwa 30 Millionen Euro zur Kompensation überweisen. Jede Kommune bekäme davon einen Anteil – je nach Länge der Gemeindestraßen im Ort. Die Zuweisungen könnte man ansparen, um dann schrittweise die Straßen zu sanieren.

Im Wahlkampf sind die Abgaben-Befürworter jedoch in der Minderheit. Die CDU-Spitze hält maximal eine Entlastung für sozial Schwache für denkbar. Allerdings gibt es viele CDU-Gemeinderäte, die sich auf die Seite der Abschaffer schlagen. Die FDP will es den Gemeinden frei stellen, ob sie die Abgabe erheben oder nicht. Freie Wähler, SPD, Linke, Grüne und AfD wollen diese kippen. Umsetzen kann das nur der Landtag. Die Verhandlungen in der Koalition stecken aber fest, die CDU hat sie abgebrochen. „Ich bin mir aber sicher, dass es nach der Wahl weiter geht“, sagt SPD-Innnenpolitiker Rüdiger Erben. Eine Volksinitiative sammelt schon Unterschriften.