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Streit Privatschulen drohen mit Klagewelle

Sachsen-Anhalts Privatschulen fordern Weitergabe von Lohnsteigerungen und berufen sich auf das Schulgesetz, Ministerium widerspricht.

Von Alexander Walter 17.05.2019, 01:01

Magdeburg l Der Streit schwelt bereits seit Monaten, jetzt droht er zu eskalieren: Es geht um bis zu 20 Millionen Euro jährlich, die Sachsen-Anhalts Privatschulen nach eigener Auffassung zu wenig vom Land bekommen.

Anlass: Seit 1. Januar 2018 verdienen Lehrer im staatlichen Schulsystem mit Berufserfahrung ab 15 Jahren deutlich besser als bisher. Die Länder ergänzten die Gehaltsstufen, die die Berufserfahrung einpreisen, dafür extra um eine neue Stufe 6.

Da der größte Anteil der Lehrer im Land sehr lange im Dienst ist – 68 Prozent sind älter als 50 – machte das Lohnniveau im Staatsdienst auch insgesamt einen Sprung. Die Löhne angestellter Lehrer aber sind laut Gesetz Grundlage für die Landeszuschüsse an die Privatschulen. Die Berufserfahrung der Kollegien geht dabei in der Praxis als Durchschnittswert in die Berechnungen ein. Nach Ansicht von Jürgen Banse, Chef des Privatschulverbands, hätte das Land die bereits seit 1. Januar 2018 wirksame Reform deshalb längst an die freien Schulen weitergeben müssen.

Eine Verordnung aber, die die Einzelheiten regelt, ist bis heute unangetastet geblieben. Stattdessen werden die Zuschüsse noch immer nach den alten, niedrigeren Maßstäben gezahlt.

Für die freien Schulen hat das nach eigener Darstellung harte Konsequenzen: „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, sagt Dietrich Lührs, Leiter Magdeburger Domgymnasiums mit 850 Schülern und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft christlich orientierter Schulen im Land. „Wir müssen vielen Lehrern die neue Stufe 6 zahlen, bekommen aber nicht das uns zustehende Geld.“ Der Unterschied könne schnell 50 000 Euro jährlich pro Schule ausmachen. Hat er Recht? Tatsächlich lässt das Gesetz einen gewissen Deutungsspielraum. Noch im November hatte das Bildungsministerium den freien Trägern allerdings selbst mitgeteilt: Die Landeszuschüsse würden wegen der neuen Erfahrungsstufe im Staatssystem auch für die Privaten rückwirkend zum 1. Januar 2018 um eine ganze Stufe angehoben.

Kurz darauf ruderte das Ministerium zurück: Wegen Hunderter zuletzt neu eingestellter Lehrer sei das Dienstalter vieler Kollegien und damit auch das Lohnniveau möglicherweise gesunken, hies es damals. Es gebe Neuberechnungsbedarf.

Tatsächlich dürften auch Haushaltserwägungen eine Rolle gespielt haben. Nach Volksstimme-Informationen gilt die nachträgliche Anhebung der Zuschüsse für 2018 in den zuständigen Ministerien schon haushaltsrechtlich als kaum umsetzbar.

Auch im laufenden Haushalt fehlt demnach schlicht das Geld für die Anhebung. Erst für 2020 sind die Mittel offiziell angemeldet. Die Privatschulen wittern Verzögerungstaktik.

„Das Land betreibt Finanzierung nach Haushalts- und nicht nach Rechtslage. Das geht so gar nicht“, sagt etwa Schulleiter Lührs. Privatschul-Verbandschef Banse verweist auch auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg – von 2011. Schon damals befanden die Richter, die vom Land zu Grunde gelegte Berufserfahrung bei der Berechnung der Zuschüsse für die Privatschulen als zu niedrig.

Das Bildungsministerium hält dagegen: Im Gesetz sei die Berufserfahrung der Lehrer als Berechnungsgrundlage gar nicht ausdrücklich genannt.

Sprecher Stefan Thurmann verwies zudem auf seit Jahren steigende Zuschüsse für die Privatschulen. Demnach nahmen diese seit 2013 von 89 Milllionen Euro pro Jahr auf rund 139 Millionen 2019 zu (+56 Prozent). Bei insgesamt 1,145 Milliarden Euro Personalausgaben für die Schulen entspreche das 12,1 Prozent. Der Anteil der Privatschüler indes liege bei nur rund 10 Prozent.

Die freien Schulen kündigen derweil massiven Protest an. Parallel zu einem Gespräch mit Bildungsminister Marco Tullner (CDU) werde der Vorstand voraussichtlich Ende Juni ein Treffen der freien Träger einberufen, sagte Banse gestern nach einer Sitzung des Gremiums. Teilnehmen werde auch eine Fachanwältin. Man werde den Trägern zwar nicht generell raten gegen das Land zu klagen, sagte der Verbandschef. „Bleibt es bei der jetzigen Lage, dürften viele aber genau zu diesem Schluss kommen.“