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Strukturwandel Salzland will "Smart Region" werden

Horst Seehofer besucht am Freitag den Salzlandkreis. Die Region stemmt sich gegen Abwanderung und den demografischen Wandel.

27.03.2019, 23:01

Bernburg/Alsleben (dpa) l "Guten Morgen, Herr Ruß", grüßt Nicole Kämmerer, als sie auf ihrer täglichen Runde durch die Orte rund um Alsleben das Haus des Rentners betritt. Heute muss der Blutzucker kontrolliert werden. Und Helmut Ruß muss zum Arzt nach Belleben. Normalerweise ein Weg, für den er Bekannte gewinnen muss. "Der Bus fährt morgens um dreiviertel sieben", beschreibt Helmut Ruß das Problem, unter dem viele Gemeinden im ländlichen Raum leiden. "Dann dreht er seine Runde über die Dörfer, ist ewig unterwegs. Und dann stehe ich in Belleben und komme nicht wieder weg."

Heute nimmt Nicole Kämmerer den Rentner mit dem Fahrzeug des Mobilen Pflegedienstes des Arbeiter Samariter Bunds in Alsleben mit – ein Probelauf innerhalb des Modellprojekts. Ab Herbst soll der Pflegedienst solche Fahrten regulär durchführen. "Die Mitarbeiterinnen des Pflegedienstes drehen ihre Runde ja sowieso", erklärt Dirk Helbig, der für den Landkreis arbeitet und das Projekt leitet. "Das Fahrzeug ist leer. Unsere Idee ist, dass sie dann auch Patienten mitnehmen können."

Was so einfach klingt, ist in der Praxis schwierig. Zwei Jahre lang hat der Salzlandkreis als eine von bundesweit 18 Modellregionen Angebote und Bedarf miteinander verglichen. Wo fahren die Busse, wann fahren sie, wie oft? Ist das genau das, was die Menschen auch brauchen? Oder haben sie ganz andere Ziele, brauchen den Bus zu anderen Zeiten? Welche Angebote anderer Anbieter, etwa Taxis, gibt es? Wünsche und Wirklichkeit wurden miteinander verglichen. So entstand die Idee, dass der Pflegedienst nicht leer fahren muss. Alle Mitarbeiterinnen haben die Erlaubnis, Personen zu befördern. Doch damit ist es nicht getan, weiß Landrat Markus Bauer.

"Wir stoßen auf gesetzliche Barrieren", beklagt der SPD-Politiker. "Das Personenbeförderungsgesetz zeigt auf, dass Parallelverkehre nicht so möglich sind, wie wir das möchten. Wir wollen aber aufzeigen, dass wir mit Partnern Verkehr ermöglichen können, der viel flexibler ist." Dazu müssen Gesetze geändert werden – ein Punkt, den Markus Bauer Ende der Woche Horst Seehofer mit auf den Weg geben will, wenn der seine Tour durch alle Bundesländer im Salzlandkreis startet.

Der Landrat kann auch auf einiges verweisen, was sich in jüngster Zeit in der zukünftigen "Smart Region" Salzlandkreis getan hat. Mit der im Vorjahr gestarteten Initiative – "smart" steht für das englische Wort für klug, aber auch sinnbildhaft für digitale Errungenschaften wie das Smartphone – soll der ländliche Raum lebenswerter werden. Gerade von dort sind seit 1990 viele Menschen abgewandert. Damit einher ging ein Abbau der Infrastruktur: Bahnstrecken wurden stillgelegt, der Busverkehr ausgedünnt.

Kaufhallen, Arztpraxen und auch die letzte Kneipe fehlen längst in vielen Dörfern. Viele Alte und auch Kinder sind auf fremde Hilfe angewiesen, wenn sie ihr Dorf verlassen wollen. Die Prognosen sind düster: Von den derzeit knapp 200.000 Einwohnern werden bis 2030 weitere 30.000 verschwinden. Jeder dritte Einwohner wird dann im Rentenalter sein.

"Wir wollen den Schirm aufspannen und eine pfiffige Region werden", erklärt Landrat Bauer. 32 Millionen Euro nimmt der Kreis in die Hand, um jedem Haushalt schnelles Internet bereitzustellen. "Das ist die Grundlage, auf die die Anwendungen aufgesetzt werden, zusammen mit Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft." Drei Ws zählt der Landrat auf: der Salzlandkreis als Wirtschafts-, Wissenschafts-, Wohnstandort.

Damit soll die Lebensqualität für die Alten steigen und die Region auch für die Jungen wieder attraktiv werden. "Wir haben die Herausforderung angenommen", so der Landrat, "aber wir brauchen Partner. Darum wollen wir mit unseren smarten Lösungen vorangehen und den Bund in die ländliche Region holen. Er unterstützt uns bei unseren Bemühungen."

In zwei Regionen, nämlich rund um Könnern und Alsleben, will der Landkreis in der Mitte von Sachsen-Anhalt zeigen, was funktionieren könnte. Aber eben auch, wo der Gesetzgeber in der Pflicht ist. "Das muss schnell passieren", drängt Landrat Bauer. "Sonst bremsen wir den Elan und die Kreativität der Bevölkerung."