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Bertelsmann-Studie Furcht vor schlechter Pflege nimmt zu

Jeder Zweite hat laut einer neuen Umfrage Angst, im Alter schlecht im Heim versorgt zu werden.

20.07.2017, 23:01

Gütersloh l Es ist ein offenes Geheimnis, dass die seit 2009 geltenden „Pflegenoten“ für Heime in Deutschland nur wenig aussagen – denn kaum eine Einrichtung wird negativ bewertet. 2016 hatte die Bundesregierung deshalb beschlossen, dass ein Ausschuss bis Ende diesen Jahres ein neues Bewertungssystem für Einrichtungen erarbeiten sollte. Doch schon jetzt steht fest: Erst 2019 will das Gremium „erste Vorschläge“ vorstellen.

Während die Politik zaudert, wächst nach Angaben der Gütersloher Bertelsmann-Stiftung bei vielen die Angst, im Alter schlecht versorgt zu werden. Laut einer Umfrage, die von der Stiftung in Auftrag gegeben wurde, fürchtet inzwischen jeder zweite Deutsche, im Alter nicht das passende Pflegeheim oder einen vernünftigen Pflegedienst zu finden. Woran es den Einrichtungen besonders mangelt, ist den meisten Befragten auch schon klar: am Personal. 63 Prozent fürchten Fachkräfte-Engpässe in den Pflegeheimen. Unter denjenigen, die bereits nach Pflegemöglichkeiten gesucht haben – immerhin jeder Dritte über 50 Jahren – ist diese Sorge noch ausgeprägter: Hier schätzen 73 Prozent die Anzahl des Personals in Pflegeheimen als „eher schlecht“ oder „sehr schlecht“ ein.

Die Einschätzungen sind keineswegs aus der Luft gegriffen, wie Zahlen aus Sachsen-Anhalt verdeutlichen. Die Heime hierzulande brauchen nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Schnitt mehr als drei Monate, um offene Stellen für Pflegefachkräfte wieder zu besetzen. Hinzu kommt: die aktuell rund 47 000 Mitarbeiter in der Pflegebranche werden bei weitem nicht ausreichen. Weil die Bevölkerung immer älter wird, müssten die Mitarbeiterzahlen bis 2030 noch einmal um bis zu 36 Prozent angehoben werden.

Dieser Problematik Herr zu werden, wird ein schwieriges unterfangen. Zwischen 2010 und 2016 ist die Zahl der Pflege-Azubis um zehn Prozent auf 4712 eingebrochen. Zwar wurde kürzlich eine Reform der Pflegeausbildung beschlossen, doch die Berufsperspektiven sind mau: Altenpfleger verdienen im Schnitt nur bescheidene 1789 Euro monatlich – und damit über 1000 Euro weniger als Pfleger in Krankenhäusern.

Die Bertelsmann-Stiftung fordert von der Politik nun, wenigstens die Transparenz in der Pflege deutlich zu erhöhen – dies sei auch ein zentrales Ergebnis aus der Umfrage: 88 Prozent der Befragten fordern mehr Informationen über den Personaleinsatz in den Einrichtungen, 94 Prozent wünschen sich mehr Angaben zur Pflegequalität und 92 Prozent mehr Informationen zur Ausstattung der Heime.

Anders als in anderen Bundesländern gibt es in Sachsen-Anhalt immerhin eine zentrale Heimaufsicht. „Die Berichte aus den Pflegeheimen sind aber wenig aussagekräftig und lassen sich kaum vergleichen“, kritisiert Stefan Etgeton von der Bertelsmann-Stiftung. Er hat ein Konzept für mehr Transparenz mitentwickelt, das unter anderem folgende Punkte beinhaltet:

● Anstatt die Pflegequalität wie bisher standardisiert in Papierform beziehungsweise als pdf-Datei zu veröffentlichen, sollten Informationen über Pflegeeinrichtungen online zugänglich, individuell erschließbar und aktuell sein.

● Die Pflegeanbieter und -Kassen sollten verpflichtet werden, Auskunft darüber zu geben, wie viele Pflegebedürftige ein Pflegender betreut und wie das Personal qualifiziert ist.

● Anstatt die Pflegequalität in Dezimalzahlen oder Noten zusammenzufassen, sollten Empfehlungen und Warnungen für Suchende unmissverständlich aufgezeigt werden. Etwa mit Hilfe eines roten Warndreiecks für besonders schlechte und eines grünen Daumens für besonders gute Pflegequalität.

● Die Pflegeanbieter sollten verpflichtet werden, über Leistungs- und Ausstattungsmerkmale für Lebensqualität Bericht zu erstatten.