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Supersommer Sachsen-Anhalts Kult-Eisdielen boomen

Sachsen-Anhalts Eisverkäufer können in diesen Tagen nicht klagen. Die Kult-Eisdielen zwischen Arendsee und Zeitz boomen.

01.08.2018, 23:01

Magdeburg l Die Eisverkäuferin von Bortscheller in Magdeburg zählt die Sorten im Auslagenfenster auf: „Schokolade, Zitrone, Mango ...“ Alles in perfektem Englisch. Der Kunde ist Inder, und der eineinhalbjährige Kripa und seine fünf Jahre alte Schwester Angela können es kaum noch erwarten, bis sie die kaltgefüllten Tüten in den Händen halten.

Familie Bortscheller verkauft seit Ende der 1940er Jahre Eis. Heute bereits in der dritten Generation. Nachdem Klaus Bortscheller (70) das Geschäft von seinen Eltern übernommen hatte, die schon den legendären Kristallpalast mit Eis beliefert haben, schmeißt heute Robert (40) den Laden. „Wir wechseln das Sortiment jeden Tag“, sagt er. Bis zu 16 Sorten machen die Wahl nicht leicht. Aber nach wie vor gehen die Klassiker Vanille, Schoko und Erdbeere am besten. Bei den „Exoten“ seien es Cookies-Eis und Erdnuss-Karamell. Bei Kindern spiele der Geschmack hingegen eher eine untergeordnete Rolle. „Da heißt es: Je bunter, desto besser.“ Sehr nachgefragt sei laktosefreies Eis. Davon bietet Bortscheller Erdbeere und Zitrone an.

Lutz Busche, Inhaber der gleichnamigen Eisdiele in Wernigerode, hat sofort einen kleinen „Schmunzler“ auf Lager, wenn man ihn nach Erlebnissen rund ums „Gefrorene“ fragt: „Meine ausgefallenste Schöpfung“, sagt der 50-Jährige, der für seine Eiskreativität bekannt ist, „war Banane-Knoblauch.“ Ein Freund habe aus Jux diese Sorte bestellt – „wohl wissend, dass ich dieses Eis nicht im Angebot habe“. Zum 40. Geburtstag des Stammgastes sei er dann bei der Feier mit der außergewöhnlichen Mischung (auch vom Geruch her) aufgetaucht. „Alle Gäste haben probiert und die Meinung war einhellig: interessant.“ Aber aufgenommen in sein Standardsortiment habe er dieses Eis nicht.

Auch Busche ist in dritter Generation Eismacher. 1988 hat er das Geschäft in der Bahnhofstraße übernommen. Da gab es die Eisdiele, die anfangs nur ein Kiosk war, schon 53 Jahre. Mit heute 90 Jahren gehört sie zu den ältesten noch arbeitenden in Sachsen-Anhalt.

„Wolke 7“ – ein Mohn-Marzipan-Eis – laufe sehr gut. „Und als Erfrischer auch Summer-in-the-City“, eine Ananas-Mohn-Kreation. Elke Krause hat den ersten Eisbehälter gefüllt. Die Masse verströmt einen herbsüßen Kräuterduft. „Jägermeister-Eis“, sagt sie, „der erste Versuch. Mal sehen, wie es bei den Kunden ankommt.“

Die Eis-Expertin und Inhaberin vom Schönebecker Kurpark-Café „Venezia“ verkauft seit 26 Jahren die kalte Leckerei. 30 Sorten hat sie im Angebot und selbst ein „Sole-Likör-Eis“ – benannt nach der „Salzbrühe“ des Schönebecker Stadtteils Bad Salzelmen – hat sie schon kreiert. Und obwohl man meinen könnte, dass Sole-Eis salzig sein muss, räumt sie mit dem Vorurteil sofort auf. „Ganz und gar nicht. Im Gegenteil.“ „Maxi-Milk“, ein Eis, das einem Schoko-Milch-Riegel nachempfunden wurde, gehe besonders bei Kindern gut.

Ziehers Eiscafé auf dem Petersberg in Kalbe/Milde hat sich auf das „Original DDR-Softeis“ spezialisiert. „Wir stellen Vanille, Schoko und unterschiedliche Sorten Fruchteis her“, sagt Willem Zieher, der seit 2015 das Familien-Team verstärkt.

1986 haben seine Eltern, Manfred und Elke als Konsum-Mitarbeiter das Eiscafé in Kalbe übernommen. 1989 stieg auch Sohn René ein, der inzwischen Chef der Eiscafés in Kalbe und Bismark ist.

Hans Rennau aus Stendal lässt es sich nicht nehmen, eine Tüte mit dem typischen DDR-Geschmack füllen zu lassen. „Es ist jedes Mal ein Déjà-vu. Ich bin dann wieder Kind, das mit den Groschen von Oma zur Softeis-Bude fährt und ein Eis kauft.“

Warum der spezielle Geschmack? „In Maschinen aus der DDR wird das Eis mit weniger Luft aufgeschäumt. Es bekommt damit eine festere Konsistenz, und diese wirkt sich positiv auf den Geschmack aus“, sagt Willem Zieher „Unsere Kunden fragen ganz gezielt nach dem Softeis, wie sie es von früher kennen.“

Die Softeismaschinen wurden von 1962 bis 1992 im thüringischen Niedersachswerfen hergestellt, beim dortigen VEB Kältetechnik. Der Betrieb gehörte zum Kombinat Ilka, das Kürzel steht für „Integriertes System Luft- und Kältetechnischer Anlagen“. Wegen des Kombinatsnamens werden die Maschinen – 30 000 Stück wurden produziert – einfach Ilka genannt.

Auf eine Auszeichnung sind die Ziehers besonders stolz. „2014 startete der MDR die Aktion: Wir suchen die zehn beliebtesten Eisdielen in Sachsen-Anhalt. „Für uns gab es die Bronzemedaille“, freut sich Willem Zieher immer noch.

Hannelore Jordan sitzt auf der Terrasse des Schermcker Eiscafés. Die 68-Jährige, die mit Ehemann Hans-Heinrich die Eisdiele im Bördekreis mit dem großen Garten mit Blick auf altes Fachwerk aufgebaut hat, denkt daran zurück, wie es mit der Eisversorgung zu DDR-Zeiten ausgesehen hat.

„Problematisch war es, Waffeln zu bekommen. Mal ein Paket, wenn es gut lief, zwei, drei Pakete wurden den Eisdielen zugewiesen“, erinnert sie sich. „Da war der typische DDR-Tauschhandel gefragt.“ Ihr Mann sei dann mit ein paar Eisbomben und einer Flasche Eierlikör zum Großhandel gefahren und sei nie mit leeren Händen zurückgekommen. Im Winter, der speiseeisruhigeren Zeit, seien die Waffeln eingelagert worden, damit der Start ins neue Eis-Jahr gewährleistet war. Auch bei den Rohstoffen habe es immer wieder Engpässe gegeben.

An die erste Eismaschine kann sich die Rentnerin ebenfalls noch gut erinnern: „Mein Mann hat sie vor 39 Jahren aus Sülldorf bei Magdeburg geholt. Sie war Vorkriegsproduktion und kaputt. Wir haben sie repariert. Aber gegen den höllischen Lärm, die die Kühltechnik macht, konnten wir nichts tun.“

Hannelore Jordan hatte eigentlich mit Eisproduktion nichts am Hut. Sie ist ausgebildete Krankenschwester. „Aber irgendwie hat das dann doch gepasst: Hygiene steht bei beidem an oberster Stelle.“

In Bezug auf „Exoten“ haben sie und ihr Sohn Christoph, der seit gut vier Jahren das Geschäft führt, ein klare Meinung: „Gurken-Eis machst du für zwei, drei Leute – die anderen wollen das Eis, dass sie kennen und schätzen.“ Das A und O seien gute Zutaten und frische Milch. „Milchpulver kommt bei uns nicht in die Tüte“, sagt der 37-jährige Eis-Fachmann.

Die Spezialität von Lutz Blume in Magdeburg-Stadtfeld ist die Cassata. Eine Eisbombe aus Himbeer-, Vanille- und Schokoladeneis und kandierten Früchten.

Viele Freunde hatten sich bereits schmerzlich damit abgefunden, dass die Kult-Eisdiele mit der originalen DDR-Einrichtung aus Krankheitsgründen ihre Pforten schließt. Aber seit kurzem ist wieder Licht am Horizont. Blume versucht einen Neustart mit seiner Eiskonditorei und öffnet vorerst sonnabends und sonntags.

Wer bei dem Eismacher, der seit 1971 Eisfreaks bedient, jedoch exotischen Gaumenkitzel sucht, wird enttäuscht. Das ausgefallenste, was er im Angebot hat ist – Erdbeereis.

Der Vater von Knut Garz von der gleichnamigen Eismanufaktur in Güsten (Salzlandkreis) hat das Kunststück fertiggebracht, zu DDR-Zeiten eine Kaufhalle zu beliefern. „Seit 1976 läuft unsere Produktion und damals wie heute war der ambulante Eishandel unsere Hauptschiene.“ In Papp- oder Plastebecher verpackt, ging das Gefrorene an Gaststätten und die Staßfurter Kaufhalle im damaligen Leninring. „Wir haben die kleinen Behälter per Hand gefüllt, weil die Maschinen zu ungenau abgefüllt haben“, so der 48-Jährige.

Heute fahren elf Eismobile bis nach Wernigerode, Magdeburg und Halle. Im Laden können Kunden aus bis zu 28 Sorten wählen. Die fahrbaren Eisdielen bieten bis zu 18 Sorten an. Aktuell gehe „Saures“ sehr gut – besonders Sanddorn.