Verlesene Anklage vor dem Magdeburger Landgericht gleicht Katalog der Grausamkeiten Tagesmütter bestreiten Quälerei-Vorwürfe
Magdeburg l Sie sollen ihre Schützlinge geschlagen, in Urin gedrückt und Erbrochenes sowie Toilettenpapier in den Mund gestopft haben. Die gestern am Magdeburger Landgericht verlesene Anklage ist eine Liste von Grausamkeiten. An zehn Prozesstagen sollen 35 Zeugen helfen aufzuklären, ob die Vorwürfe zutreffen.
Regungslos und mit geschlossenen Händen verfolgen die beiden Angeklagten Petra F. (52) und ihre Tochter Katrin F. (28) die Ausführungen von Staatsanwältin Barbara Schulte-Frühling. Eine halbe Stunde lang liest sie im schnellen Tempo Kindernamen und damit verbundene Quälereien vor. Sechs Nebenkläger machen sich Notizen. Sie vertreten die Eltern der Opfer, die wegen ihres Alters nicht vernommen werden können.
Auch als die Staatsanwältin konkret wird, was in den Räumen der Tageseinrichtung im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses im Magdeburger Stadtzentrum passiert sein soll, bleiben die Frauen ruhig. Laut Anklage sollen sie unter anderem einer ganzen Reihe von Kindern Toiletten- und Küchenpapier in den Mund gestopft haben, damit diese still sind. Besonders schwer wiegt auch der Vorwurf, dass die Tagesmütter ihre Schützlinge aus den Kinderstühlen im Halsbereich herauszogen. "Die Angeklagten nahmen schwerste Verletzungen in Kauf", so die Staatsanwältin.
Es drohen Berufsverbot und 15 Jahre Haft
Sie berichtet auch von einem Jungen, der sich erbrochen hatte. Die Angeklagte Petra F. soll daraufhin seinen Unterkiefer nach unten gedrückt und das Erbrochene zurück in den Mund gestopft haben. Nach einem rechtsmedizinischen Gutachten sei es in dieser Situation nicht auszuschließen gewesen, "dass das Erbrochene in die Luftröhre hätte gelangen können" und lebensbedrohlich war. Einem anderen Jungen habe die Tagesmutter den Oberkörper in dessen Urin gedrückt, als dieser neben seinem Topf Wasser lassen musste. Die Frau soll ihn angeschrien haben "Du bist ein Embryo!"
Nach dem Martyrium, so die Staatsanwältin, würden 14 Kinder Verhaltensauffälligkeiten aufweisen. Einige haben später ihre Puppen ins Gesicht geschlagen, weigerten sich selbst aufs Töpfchen zu gehen, weinten oft und zeigten auch Symptome wie Schlafstörungen.
Die Staatanwaltschaft beantragt ein Berufsverbot für beide Tagesmütter, die bis vor kurzem noch Kinder betreuten. Das Jugendamt wollte bereits die Pflegeerlaubnis entziehen, doch das Verwaltungsgericht verhinderte das, weil noch keine Verurteilung vorlag.
Bei einer Verurteilung drohen beiden nach Angaben von Gerichtssprecher Christian Löffler 15 Jahre Haft. 89 Straftaten seien insgesamt vorgeworfen worden.
Jede Tagesmutter betreute jeweils fünf Kinder
Mutter Petra F. äußert sich nur mit einem Satz: "Die Vorwürfe stimmen nicht." Ihre Tochter weist ebenfalls alle Anschuldigungen von sich. Geht aber näher darauf ein. Beide Tagesmütter hätten seit 2010 jeder fünf Kinder betreut und keiner der Eltern sich bis Oktober 2011 beschwert. Zu diesem Zeitpunkt habe sie einer Praktikantin, eine der drei Hauptbelastungszeugen, eine Absage erteilt. Da dies die Tochter einer anderen Tagesmutter sei, vermute sie Neid als Motiv einer möglichen Intrige. Warum die anderen Zeugen gegen sie so aussagen würden, wüsste sie nicht.
Die drei Hauptbelastungszeugen werden am nächsten Donnerstag gehört.