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Terrorgefahr Gericht lässt Gefährder wieder laufen

Ein Syrer hat laut Anklage einen Anschlag geplant. Doch die U-Haft wurde vom Oberlandesgericht ausgesetzt. Dienstag startet Prozess in Halle.

Von Matthias Fricke 22.08.2017, 01:01

Magdeburg l Zu Sachsen-Anhalts erstem IS-Terror-Prozess soll der Angeklagte ohne Handschellen in den Saal des Landgerichtes Halle kommen. Die Gründe für eine Untersuchungshaft (U-Haft) hatten laut einer Entscheidung des Oberlandesgerichtes Naumburg vom 20. Juli nicht ausgereicht. Seither wird der als „Gefährder“ eingestufte Flüchtling von Polizisten auf Schritt und Tritt begleitet. Der Prozess „wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ sei laut Landgerichtssprecher Wolfgang Ehm aufgrund des Alters des Angeklagten nichtöffentlich.

Der 16-Jährige war im Herbst 2015 als unbegleiteter Flüchtling nach Deutschland eingereist und wohnte in Bobbe im Landkreis Bitterfeld. Der mit der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) sympathisierende Jugendliche nahm laut Saatsanwaltschaft Kontakt zu Gleichgesinnten im Internet auf und erklärte „einen Anschlag gegen das Leben vieler in Deutschland lebender Menschen“ zu verüben. Er habe sich dazu eine Bauanleitung zur Herstellung eines Sturmgewehres AK 47 (Kalaschnikow) zusenden lassen und fragte, wo man solche Waffen kaufen könne. Auch nach der Herstellungsanleitung eines Sprengstoffgürtels habe er in einem Chat gefragt. Einer der Partner war verdeckter Ermittler des Bundesverfassungsschutzes. Ihm gegenüber sagte er, dass er „Größeres“ plane.

Anfang 2017 folgte die Festnahme. Doch den Haftbefehl hob der Strafsenat des Oberlandesgerichtes (OLG) in Naumburg am 20. Juli wieder auf. OLG-Sprecher Henning Haberland: „Der Senat sah keine Fluchtgefahr.“ Man sei der Auffassung, dass das bloße Erkundigen nach Bauanleitungen zumindest nicht den vorgeworfenen Tatbestand erfülle. „Dieser verlangt, dass es für eine ,Unterweisung‘ eine Kommunikation zwischen Lehrer und Schüler geben muss“, so Haberland. Ob diese Rechtsfrage vom Landgericht Halle ähnlich beurteilt wird, bleibe Gegenstand der Verhandlung. Bis 4. September wird in Halle verhandelt.

Der junge Syrer ist einer von drei bekannten Gefährdern in Sachsen-Anhalt. Das Innenministerium spricht von einer „niedrigen einstelligen Zahl“. Ein zweiter sitzt in Burg in U-Haft. Der Syrer Abdulmalk A. (30) soll als Al-Nusra-Kämpfer den Rang eines Befehlshabers gehabt haben und im Frühjahr 2013 nahe der syrischen Stadt Tabka einen Soldaten die Kehle durchgeschnitten haben. Im Mai 2017 wurde er in Magdeburg gefasst. Dem Dritten wird in Berlin der Prozess gemacht. Der Generalbundesanwalt hält den Afghanen Wajid S. aus Aken (Anhalt-Bitterfeld) für einen Taliban und klagte ihn wegen Mitgliedschaft einer terroristischen Vereinigung im Ausland und versuchten Mordes an. Er habe in Afghanistan auf Polizisten geschossen. Anschlagspläne in Deutschland gab es aber nicht.

Das Bundeskriminalamt (BKA) spricht derzeit von 690 Gefährdern, ein Teil soll sich im Ausland aufhalten.