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Transparenz Behörden zur Auskunft zwingen

Transparenz statt Geheimniskrämerei - alle Bürger haben das Recht, in die Akten von Behörden zu schauen. Doch viele wissen nichts davon.

16.01.2017, 23:01

Magdeburg l April 2008: Der damalige Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, feiert seinen 60. Geburtstag im Kanzleramt. Eine Party in einem Staatsgebäude, finanziert vom Steuerzahler. Wie wurde das Geld ausgegeben? Wer war alles eingeladen? Dafür interessierte sich auch Verbraucherschützer Thilo Bode. Er schrieb einen Antrag an das Bundeskanzleramt, um Antworten auf seine Fragen zu erhalten. Bode berief sich auf das Informationsfreiheits- gesetz, das Bundesbehörden zur Auskunft verpflichtet. Zwei Gerichts- entscheidungen später musste das Kanzleramt die Informationen freigeben. Die Liste der Gäste steht bis heute im Internet.

Alle Bürger haben Zugang zu Originalinformationen. Dabei geht es nicht nur um die Ausübung von Kontrolle – häufig betreffen solche Informationen das ganz alltägliche, individuelle Leben. Wie ist der Personalschlüssel in den Kindergärten meines Stadtviertels? Wie vergiftet ist der Bach drei Straßen weiter? Jeder kann bei Bundesbehörden, Ministerien, Ämtern und oft sogar bei staatlichen Unternehmen solche Informationen anfordern.

Für Landesbehörden und Kommunen in Sachsen-Anhalt ist der Auskunftsanspruch durch das Informationszugangsgesetz geregelt. Das Ziel: Verwaltungshandeln soll transparenter werden. Dass die Akten der Behörden nun grundsätzlich öffentlich sind, ist ein Paradigmenwechsel – während früher Amtsverschwiegenheit galt, gibt es jetzt das Prinzip der Aktenöffentlichkeit. Nur wenn gesetzliche Regelungen eine Veröffentlichung verbieten, müssen sie geheimbleiben. Nicht an Bürger herausgegeben werden können zum Beispiel Akten zu anstehenden Gerichtsverfahren, zur inneren Sicherheit oder personenbezogene Daten. In den vergangenen Jahren wollten Sachsen-Anhalter zum Beispiel wissen, in welcher Höhe die einzelnen Hochschulen und Universitäten Landesgelder erhalten haben, wie hoch die Kosten für die Entwicklung der Handy-App „Meine Umwelt“ waren oder wie viele Dienstaufsichtsbeschwerden es gegen Polizisten gibt. In diesen drei Fällen haben die zuständigen Ministerien innerhalb weniger Tage umfassend geantwortet.

Doch nicht immer läuft das so reibungsfrei, sagt Harald von Bose. Er ist als Landesdatenschutzbeauftragter auch für die Einhaltung des Informationsfreiheitsgesetzes zuständig. Laut Gesetz müssten die Informationen binnen eines Monats gewährt werden. „Das ist die Theorie“, sagt von Bose. „In der Praxis kommt es oft zu längeren Zeiträumen, auch infolge von Widerspruchs- und Klageverfahren.“

Wenn Behörden mauern, bleibt manchmal nur der juristische Weg. So ging es beispielsweise der Mitteldeutschen Zeitung. Ein Journalist hatte Hinweise dafür, dass der in Berlin wohnende Heiko Geue (SPD, Finanzstaatssekretär von 2011 bis 2012) Privat- als Dienstfahrten deklariert haben soll. Er durfte seinen Dienstwagen nur in Sachsen-Anhalt privat kostenlos nutzen – ab der Landesgrenze wurden 30 Cent pro Kilometer fällig. Geue wies den Vorwurf zurück. Doch den Einblick in die Unterlagen verwehrte das Finanzministerium der Zeitung.

Also beantragte der Journalist über das Informationszugangsgesetz Akteneinsicht, die das Ministerium erneut abwies. Doch nach mehr als vier Jahren hat die Zeitung Recht bekommen. Das Oberverwaltungsgericht hat den Anspruch auf Auskunft zu Geues Fahrtenbüchern bestätigt.

Beauftragt der Staat – egal ob Bund, Land oder Kommune – Firmen mit öffentlichen Aufgaben, muss der Auftraggeber sogar Auskunft darüber erteilen, was das Unternehmen macht. Auch das kann dauern. Der Grünen-Landtagsabgeordnete Sebastian Striegel versucht seit eineinhalb Jahren, Informationen über die Unterbringungskosten von Flüchtlingen im Saalekreis einzuholen. Doch das Landratsamt stellt sich quer. Und das wohl aus einem triftigen Grund: Für die Unterbringung der Geflüchteten hat der Landkreis eine private Firma beauftragt, die BIH GmbH. Für jeden Flüchtlingsplatz erhält diese einen Pauschalbetrag. Doch wie viel genau, darüber schweigen Landkreis und Unternehmen. Begründung: Geschäftsgeheimnis.

Striegel möchte das nicht hinnehmen. „Ich will prüfen, ob der Landkreis seine Haushaltsmittel vernünftig ausgibt“, sagt er. Auch ob sich das Unternehmen in der Flüchtlingskrise auf Kosten des Landkreises bereichert, soll mit dem Auskunftsersuchen kontrolliert werden. Bisher verweigert der Landkreis die Einsicht in die Verträge hartnäckig. Deshalb hat Striegel vor dem Verwaltungsgericht Klage eingereicht.

Dass es so weit kommt, ist selten. Wenn die Behörden Auskünfte zurückhalten, interveniert Datenschützer von Bose. Oft reicht das schon aus – wie kürzlich in einem Fall, in dem es um die Kosten der Anschaffung eines Grippemedikaments ging. Das Sozialministerium wollte diese mit Verweis auf eine „Vertraulichkeitsvereinbarung“ mit dem betroffenen Unternehmen nicht herausgeben. Doch solche Klauseln sind unwirksam. Auf Druck des Datenschutzbeauftragten hat das Ministerium die Infos später erteilt.

Diese Woche befasst sich der Innenausschuss des Landtags mit dem Informationszugangsgesetz. Die Koalition aus CDU, SPD und Grünen will es novellieren. Geplant ist der Aufbau eines zentralen Landesinformationsregisters, in das die Behörden Gesetze, Studien und amtliche Statistiken einstellen.

Und auch die Kosten für die Akteneinsicht sollen gesenkt werden. Die Gebühren­obergrenze (2000 Euro) könnte geringer ausfallen. Rechnungen mit einem Wert von bis zu 50 Euro sollen künftig gar nicht mehr versandt werden. Die Auskunft wäre dann eine Serviceleistung der Behörden.