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Tumor Jonard hofft auf Hilfe in Sachsen-Anhalt

„Bitte hilf mir“ - Diese Nachricht von einem 16-Jährigen von den Philippinen hat vor kurzem einen Volksstimme-Reporter erreicht.

Von Dieter Haase 09.09.2020, 01:01

Havelberg/Philippinen l Ich fliege seit 2018 mindestens zweimal jährlich auf die Philippinen. In Alcala, einem Dorf nahe der Stadt Daraga auf der Hauptinsel des asiatischen Landes, unterstütze ich aus eigener Tasche und mit Hilfe von Volksstimme-Lesern sehr arme, vor allem kinderreiche Familien. Das ist für mich zu einer Herzensangelegenheit geworden. Jonard gehört zu einer solchen Familie.

Vor einem Jahr: Jonard scheint einer der glücklichsten jungen Leute in Alcala zu sein. Denn der 15-Jährige darf mit dem vom Trycicle (motorisiertes Dreirad) seines Vaters abgekoppeltem Motorrad Besorgungen im Dorf erledigen und Freunde besuchen. Das hinterlässt Eindruck, besonders die Mädchen werfen dem Jungen viele verliebte Blicke zu. Aber auch ohne Motorrad hat der gutaussehende Jonard keine Probleme, mit Mädchen, die ihm gefallen, zu gehen. Mal mit dem einen und mal mit dem anderen. Wie das bei Jugendlichen auf der ganzen Welt so ist. Auch im über 10.000 Kilometer entfernten Deutschland.

Zudem ist Jonard ein sehr sportlicher Typ. Täglich nach der Schule und am Wochenende ist er im Basketball-Court von Alcala anzutreffen. Denn Basketball ist die Sportart Nummer 1 auf den Philippinen. Ab einem Alter von etwa acht Jahren versucht sich fast jeder Junge und auch so manches Mädchen daran, den Ball im hohen Korb unterzubringen.

Zum Training holt er oft seinen gleichaltrigen Kumpel Jhon ab. Die beiden sind zudem über mehrere Ecken verwandt.

Über Jhon, dessen Familie ich bei meinen Aufenthalten auf den Philippinen als erste unterstützt habe und bei der ich auch immer wohne, wenn ich in Alcala bin, habe ich 2018 auch Jonard kennengelernt. Es dauerte eine Weile, bis der schüchterne Junge sich traute, dem Deutschen zur Begrüßung auch einmal die Hand zu geben und einige Worte mit ihm zu wechseln. So gut es ging in Englisch, und wenn das nicht ging in Tagalok. Das ist die Sprache der Filipinos. In diesem Fall musste dann immer der Google-Übersetzer auf dem Smartphone weiterhelfen. Und er tat es auch.

Aufgefallen ist mir schon damals, dass bei Jonard immer wieder plötzliche Nasenbluten auftraten. Aber keiner hat das so recht ernst genommen. Wird schon aufhören. Und dann ist alles wieder gut. Das war es dann auch.

Erwähnen möchte ich in dem Zusammenhang, dass Alcala eine Wohngegend von zumeist sehr armen und dazu noch kinderreichen Familien ist. Für Menschen, die ohnehin nur über sehr wenig Geld verfügen – wenn überhaupt – kommt ein Arzt nur ungerne. Denn die Behandlung kostet den Armen viel Geld – und eine Krankenversicherung können sich die Filipinos hier schon gar nicht leisten. Ich habe das im März/April dieses Jahres, als ich insgesamt neun Wochen lang wegen des Corona-Lockdowns auf den Philippinen festsaß, auch erleben müssen. Zweimal hätte ich in der Zeit einen Arzt gebraucht, zweimal war er bestellt und hatte zugesagt. Aber beide Male sagte er auch kurz vor dem Termin wieder ab. Angeblich, weil er im zwei Kilometer entfernten Daraga „zu tun“ hatte „und deswegen keine Zeit mehr“ hatte.

Anfang März habe ich Jo­nard in Manila getroffen. Er hatte mir geschrieben, dass er dort in einer Klinik untersucht werden muss, weil ihm etwas an der linken Nasenhöhle wachse. Dafür und für die gut 17-stündige Busfahrt für ihn und seinen Vater hat die Familie sich einen großen Batzen Geld leihen müssen. Denn bei einem schweren Taifun Anfang Dezember 2019 waren große Teile des Wohnhauses der Familie zerstört worden. Für die notdürftige Reparatur ging das wenig Ersparte drauf. Ja, der Vater musste sogar sein Trycicle – und damit die wichtigste Einnahmequelle für die Familie – verkaufen.

Damit nicht genug, kam das nächste Unglück: die Erkrankung Jonards, des zweitältesten Sohnes, der immer noch unbehandelt in Manila verweilen muss. Denn beim dort anhaltenden Lockdown führt kein Weg zurück nach Hause. An allen Straßen sind Kontrollsperren aufgebaut. Öffentliche Verkehrsmittel fahren nicht.

Das große Problem des 16-Jährigen ist damit aber noch lange nicht beseitigt. Es heißt Juvenile Nasopharyngeale Angiofibrom (JNA) und ist ein Tumor an der linken Nasenhöhle, der wächst und wächst und wächst. Schon mehr als sieben Monate lang. Seine Mahlzeiten einzunehmen oder sich mal die Nase zu schnauben ist für Jonard bereits problematisch geworden. An die frische Luft geht er ohne „Vermummung“ nicht mehr. Denn sich öffentlich so zu zeigen, wie er derzeit aussieht, ist ihm peinlich.

Die notwendige Operation für die Familie eigentlich unbezahlbar. Aber sie muss schnellstens erfolgen, damit sich der bislang gutartige Tumor nicht noch zu einem bösartigen Tumor und im schlimmsten Fall zu einer Krebskrankheit entwickelt. „Erst einmal werden 100.000 Pesos benötigt“, weiß ich von Jonard. Das sind umgerechnet um die 2000 Euro.

„Bitte hilf mir“, wendet er sich an mich. Aber ich bin ganz ehrlich, aus eigener Kraft kann ich das derzeit leider nicht. Auch wenn ich es noch so gerne möchte. Zu groß waren die finanziellen Verluste nach meinem diesjährigen Zwangsaufenthalt in dem fernen Land und einer sich daran anschließenden langen Krankheit.

„Aber dem Jungen muss geholfen werden. Von vielen“, sagt Hans-Joachim Frey vom Havelberger Verein „Blaue Herzen für Kinderfreundlichkeit“. „Wenn das für Jonards arme Familie auf den Philippinen eine so gut wie unmöglich zu stemmende Angelegenheit ist, dann muss die Hilfe eben hier in Deutschland passieren“, lautet seine Meinung dazu.

 „Jo-nard ist so jung und hat sein ganzes Leben noch vor sich. Und er wünscht sich nichts anderes, als wieder ganz normal auszusehen, in die Schule zu gehen, Freunde zu treffen, Sport zu treiben – und ganz wichtig: wieder bei seiner Familie zu sein.“ Bei seiner Mutter und seinen vier Brüdern.

„Gibt es eine Klinik im Land, die den 16-Jährigen zum Nulltarif operieren würde?“, fragt sich Frey. Und er denkt dabei unter anderem an die HNO-Ameos-Klinik in Halberstadt oder die Universitätsklinik in Magdeburg. „Telefonisch bin ich da leider noch nicht bis zu den richtigen Ansprechpartnern durchgedrungen. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.“

Wenn sich eine Klinik finden würde, die Jonard aufnimmt und operiert, „dann gehe ich als Nächstes die Flugreise und die dafür notwendige Ausstellung von Dokumenten für den Jungen an“, so Hans-Joachim Frey. Er schätzt, dass dafür etwa 1000 Euro (von Manila nach Deutschland und wieder zurück) benötigt werden.

Sollte alles so gelingen, wie er sich das vorstellt, dann könnte der junge Filipino nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus „vielleicht noch für zwei Wochen Gast des Blaue-Herzen-Vereins sein – eine Zeit mit vielen tollen Erlebnissen, von denen er seiner Familie und seinen Freunden lange immer wieder erzählen kann“, so Frey. Er erinnert sich in dem Zusammenhang noch gerne einige Jahre zurück, als der Blaue-Herzen-Verein aktiv in die Betreuung von Kindern aus Beslan eingebunden war, die nach dem Anschlag auf ihre Schule – mit vielen Toten – zu einem Erholungsaufenthalt nach Sachsen-Anhalt eingeladen waren.

Jetzt, 2020, geht es um einen Jungen von den Philippinen, der das Pech hatte, der einzige von weltweit rund 150.000 Kindern und Jugendlichen zu sein, die an JNA erkranken.

Jonard nach Deutschland zu holen, ist ganz sicher eine anspruchsvolle Aufgabe. Der Junge und die Familie sind über das Vorhaben informiert. können das aber nicht so recht glauben. Der Blaue-Herzen-Verein möchte das so schnell wie möglich schaffen, damit der 16-Jährige gesund wird. „Mit finanzieller Unterstützung von vielen mitfühlenden Menschen sollte das auch möglich sein“, ist sich Hans-Joachim Frey sicher.

Spenden, auf Wunsch auch mit Spendenquittung, können auf folgendes Konto eingezahlt werden: Verein „Blaue Herzen für Kinderfreundlichkeit“; IBAN: DE83 8105 0555 3080 0100 00; BIC: NOLADE 21SDL; Verwendungszweck: Spende für Jonard.