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Umweltschutz Das schmutzige Öl-Geschäft

Ölwehren rücken an und beseitigen das Chaos. Um diese lukrativen Aufträge ist in Sachsen-Anhalt ein heißer Kampf entbrannt.

03.08.2017, 23:01

Magdeburg l Lange lief es geräuschlos. Alle haben vom System profitiert. Jedes Jahr floss ein mittlerer einstelliger Millionenbetrag auf die Konten der Ölwehren. Doch der Friede ist vorbei. Nun wird offenbar, wie schmutzig das Geschäft ist.

In Sachsen-Anhalt vergibt die Landesstraßenbaubehörde (LSBB) lukrative Aufträge zur Ölbeseitigung. Dem LSBB obliegt die „Verkehrssicherungspflicht“ für 480 Autobahn-, 2300 Bundesstraßen- und 4000 Landesstraßenkilometer. Pro Jahr gibt es landesweit 500 Einsätze, bei denen ausgetretenes Öl oder kontaminierter Boden beseitigt werden müssen. Dafür braucht man nicht nur teure Maschinen – sondern auch entsprechendes Personal. Deswegen vergibt das Land die Aufträge lieber extern. Auf Autobahnen müssen die Firmen innerhalb von 60 Minuten am Einsatzort sein.

Jahrelang ist der Zuschlag an die „Sachsen-Anhalt 24 GbR“ gegangen, eine Bietergemeinschaft, in der sich rund ein dutzend lokale Betriebe organisieren. Damit alle etwas vom Kuchen abbekamen, teilten sie sich die Ölschadensbekämpfung auf. Eine Zentrale vermittelte die Aufträge.

Bis vor 20 Monaten ging das gut. Seitdem tobt in der Branche ein heftiger Streit.

Es ist Ende 2015, als der LSBB eine neue Ausschreibung startet. Innerhalb der Bietergemeinschaft gibt es Unstimmigkeiten. Die Firma R. aus der Börde wird ausgeschlossen. Doch was die anderen nicht wissen: Still und heimlich bewirbt sich das Unternehmen selbst um die Aufträge und erhält den Zuschlag. Wenn alle Bewerber die Kriterien erfüllen, muss bei der Vergabe der wirtschaftlichste Bieter berücksichtigt werden. Die Teilgebiete Jerichower Land/Börde, Harz/Salzlandkreis und ein Autobahnlos gehen so an die Firma R. Der Auftrag ist lukrativ: Er sichert dem Unternehmen pro Jahr rund 1,5 Millionen Euro Landesgelder.

Für die anderen Ölwehren, die mit der Gemeinschaft über Jahre gut verdient haben, ist das ein Schock. „Wir haben uns gefragt, wie der das so günstig anbieten konnte“, sagt ein Kenner der Branche. „Wir fingen an, zu recherchieren.“

Wenn die Ölwehr Flüssigkeiten aufsaugt, muss sie diese später fachgerecht bei einem Spezialbetrieb entsorgen. Die Konkurrenten oberservieren die Standorte der Firma R. Im Dezember 2016 tauchen Ungereimtheiten auf. Geheim aufgenommene Fotos, die der Volksstimme vorliegen, belegen: Auf einem Betriebsgelände in Bernburg liegen Ölreste, Bindemittel und Bauschutt herum – obwohl es für die Aufbewahrung klare Vorschriften gibt. Im Boden ist ein Loch, in dem eine Flüssigkeit steht. „Der verkippt das Zeug auf seinem Grundstück“, sind sich Konkurrenten sicher. Bei der Staatsanwaltschaft Magdeburg geht eine anonyme Anzeige wegen einer schweren Umweltstraftat ein. Der „Übeltäter“ soll aus dem Verkehr gezogen werden. Das Umweltamt rückt zur Kontrolle an. Mehrere Hundert Kilogramm mit Öl verseuchter Schlamm müssen umgehend fachgerecht entsorgt werden.

Als die Volksstimme Falk M., den Geschäftsführer der Firma R. mit den Vorwürfen konfrontiert, bestätigt er den Vorfall. Er sagt aber: „Ich weiß nicht, wie das dahingekommen ist. Ich war das nicht.“ M. vermutet eine Kampagne: Weil er die Ausschreibungen gewonnen und seine Konkurrenten mit dem Alleingang überrascht hat, würden diese nun versuchen, ihn zu diskreditieren. „Das ist ein total dreckiges Geschäft. Die wollen mich vom Markt drängen.“ Er sei im Übrigen „freiwillig“ aus der Bietergemeinschaft raus, da dort zu viel Geld für die Verwaltung draufgegangen sei.

Falk M. erhebt schwere Vorwürfe. „Wissen Sie, wann das Umweltamt bei mir vor der Tür stand? Drei Tage, nachdem zwei meiner Mitarbeiter zu einem Mitbewerber gewechselt sind. Ich wette, die Konkurrenz hat mir die Scheiße auf den Hof gekippt!“, sagt der Geschäftsführer. Falk M. beteuert, gar kein Interesse daran zu haben, Öl zu verkippen. „Ich bekomme von der Straßenbaubehörde nur Geld, wenn ich denen einen Entsorgungsnachweis liefere. Den erhalte ich nur, wenn ich das Öl-Wasser-Gemisch fachgerecht entsorge. Und das tue ich“, sagt er.

Die Konkurrenz erzählt die Geschichte anders. „Es gab schon damals in der Bietergemeinschaft immer wieder Ärger mit den Entsorgungsnachweisen“, sagt ein Mitbewerber. „Wir haben die Straßenbaubehörde auch darüber informiert, dass dort etwas nicht stimmt. Aber es passiert einfach nichts.“

Uwe Langkammer sitzt gelassen in seinem Büro in der Magdeburger Innenstadt. Der Chef des LSBB sagt: „Mir ist nicht bekannt, dass es bei der Firma R. Probleme mit den Entsorgungsnachweisen gibt. Wenn eine Firma den Nachweis einmal vergisst, muss der nachgereicht werden.“

Ja, auch ihm sei aufgefallen, dass die Branche inzwischen hart umkämpft sei, sagt Langkammer. „Hin und wieder“ erhalte man anonyme Hinweise, gibt er zu. Die Bewerber würden sich gegenseitig Umweltstraftaten vorwerfen. Doch zugespielte Fotos sind für den LSBB kein Grund, den Ungereimtheiten nachzugehen. „Wenn so eine E-Mail kommt, drücke ich sofort auf die Löschen-Taste. Diejenigen sollen sich mit Name zu erkennen geben!“, fordert Langkammer. Die Firmen dürfen bei den Ausschreibungen weiterhin mitmachen.

Auf Nachfrage muss Langkammer jedoch einräumen, dass es dabei seit eineinhalb Jahren massive Probleme gibt – also seit dem Streit in der Bietergemeinschaft. Als die Firma R. Anfang 2016 den Zuschlag erhielt, legten die unterlegenen Konkurrenten Einspruch ein. Die Vergabekammer gab dem statt – das Verfahren musste von vorn beginnen. Doch das Prozedere ging wieder schief. Bis heute ist die Sache ungeklärt.

Die alten Verträge für die Gebiete Jerichower Land/Börde sowie Harz/Salzlandkreis sind inzwischen ausgelaufen – und so steht die Straßenbaubehörde ohne Dienstleister da. Die Vergabe erfolgt nun freihändig – und damit ohne Kontrolle. „Die Polizei soll den nächstgelegenen Anbieter beauftragen. Das ist natürlich keine befriedigende Situation. Das wissen wir auch“, sagt Langkammer. Er hofft nun, dass das Problem bis Dezember geklärt ist. Obwohl die Vergabekammer die Ausschreibung mehrfach gerügt hat, kann Langkammer keine Fehler seiner Behörde erkennen. Er sieht die Schuld bei den Ölwehren: „Die Ausschreibungen sind in Ordnung. Das Problem ist, dass sich die Firmen untereinander nicht grün sind. Die klagen gegen alles. Das ist wie eine Kindergartenkrabbelgruppe.“