1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Harz kämpft gegen die Regen-Fluten

EIL

Unwetter Harz kämpft gegen die Regen-Fluten

Ein Unwetter sorgt in Sachsen-Anhalt für zahlreiche Überschwemmungen. Im Harz mussten erste Talsperren öffnen.

Von unseren Lokalredaktionen 25.07.2017, 05:56

Halberstadt/Wernigerode l Nach heftigem Dauerregen sind im Harz viele Häuser und Grundstücke überflutet worden. Oberhalb Wernigerodes erreichte der Wasserstand der Holtemme in der Nacht zum Dienstag den Rekordwert von 1,87 Meter. Noch am Montag waren es nur 21 Zentimeter gewesen. Eine Frau wird vermisst.

Zehn bis 15 Liter Regen pro Quadratmeter prasselten im Harz stündlich auf den Boden: Fünfmal mehr, als es bei einem normalen Regentag üblich ist. Am heftigsten traf es Anwohner an Ilse und Holtemme.

Bis zu den Mittagsstunden besserte sich die Lage dort etwas. "Wir verzeichnen überall stangnierende oder leicht fallende Wasserstände", sagt Frank Goreczka vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz der Volksstimme. "Von einer Entspannung können wir aber noch nicht reden, da es weiter regnet."

Ilsenburg: In Veckenstedt schwemmte ein Bach so viel Unrat heran, dass der Durchlauf unter einer Brücke verstopft war: Das Wasser schoss daraufhin in umliegende Häuser. Auf einem Reiterhof wurde das Feriencamp aufgelöst, da die Zelte unter Wasser standen. Die Eltern holten noch in der Nacht zum Dienstag ihre Kinder ab – verletzt wurde niemand. In Darlingerode wurde eine Straße gesperrt, die Feuerwehr sicherte Grundstücke mit.

Am Pegel Ilsenburg stieg der Wasserstand binnen weniger Stunden von 1,25 auf 2,31 Meter. Am Pegel Hoppenstedt versechsfachte sich der Wert von 32 Zentimetern auf 1,88 Meter.

Wernigerode und Blankenburg: Das Wasser schoss von den Bergen in hohem Tempo in die Holtemme. Die Fluten schwollen binnen kürzester Zeit an. Am Montagabend waren es am Pegel Steinerne Renne bei Wernigerode noch 24 Zentimeter – gegen Mitternacht schon 1,87 Meter. Es galt die höchste Alarmstufe vier. Eine Straße in Richtung Hasserode verwandelte sich in einen Fluss. In einigen Ortsteilen wurden Häuser mit Sandsäcken gesichert. Fachleute vom Landeshochwasserbetrieb entdeckten an der Holtemme eine Brückenbaustelle der Stadt Wernigerode: Die hatte die Lage verschärft, da sich das Wasser dort aufstaute.

Seit 3 Uhr nachts wird in Wernigerode eine 69 Jahre alte Frau vermisst, die direkt an der Holtemme wohnt. Die Suche von Polizei und Feuerwehr in der Holtemme blieb am Dienstag ohne Erfolg. Die Umstände ihres Verschwindens sind laut Polizei noch völlig unklar. Es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass die 69-Jährige in die Fluten gestürzt sei.

Da das Wasser in der Nähe einer Kinderkrippe anstieg, holten die Eltern ihre Kleinen am Vormittag ab. In Silstedt brachten Anwohner ihre Autos in Sicherheit, da auch hier die Holtemme eine Straße flutete. In Minsleben standen Kühe, vom Wasser eingeschlossen, auf einer Insel.

Im Kloster Michaelstein stand das Wasser 50 Zentimeter hoch in Seminarräumen. Ein wertvolles Cembalo und ein Flügel wurden abtransportiert. Absolventen eines Meisterkurses füllten stattdessen Sandsäcke.

In Derenburg liefen Keller voll. Damit die schmutzigen Fluten nicht ins Freibad schwappen, setzte die Feuerwehr Spundwände. Obendrein wurde eine Brücke über die Holtemme gesperrt.

Halberstadt und Groß Quenstedt: Zwar schwollen auch in Halberstadt die Pegel der Holtemme extrem an – zu Schäden kam es hier am Dienstag aber nicht. Anders im wenige Kilometer flussabwärts gelegenen Groß Quenstedt. Weil ein dortiges Wehr nicht rechtzeitig geöffnet worden war, trat der Fluss über die Ufer und flutete nahe Gärten. Vor dem Öffnen des Wehres musste mit einem Bagger angeschwemmtes Treibgut entfernt werden.

Prognose: „Der Dauerregen lässt im Laufe des Mittwochs in seiner Intensität zwar etwas nach, hält aber bis heute gegen 18 Uhr an“, sagte Anja Juckeland vom Deutschen Wetterdienst der Volksstimme. „Es ist ein sehr kleines Tiefdruckgebiet, hat aber massive Auswirkungen.“ Es ziehe nur sehr langsam nach Südosteuropa ab. Parallelen zur Wetterlage in den Flut-Katastrophenjahren 2013 oder 2002 gebe es nicht, versicherte Juckeland.

Weder Ilse noch Holtemme können im Harz mit Talsperren gesteuert werden. An der Bode ist dies möglich. Sowohl Rappbode- als auch Wendefurther Talsperre dienen als Puffer. Um auch in den nächsten Tagen genügend Stauraum zu haben, wurden die Schleusen in Wendefurth etwas stärker geöffnet und Wasser in die Bode abgegeben. „Dadurch sind auch hier deutliche Anstiege der Wasserstände zu erwarten“, sagte Gorecka. Die Bode könne leicht über die Ufer treten.

„In den Talsperren ist noch genügend Stauraum“, sagte Joachim Schimrosczyk vom Talsperrenbetrieb. Nur: Bis zum Wochenende weiter regnen dürfe es nicht.