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SPD-Sonderparteitag Von Umarmungen und Dolchstößen

Die SPD hat am Sonnabend bei einem Sonderparteitag in Halle die Weichen auf Neuanfang gestellt. Es gab überraschende Wortmeldungen.

Von Michael Bock 04.04.2016, 01:01

Halle l Das ist eine Szene mit Symbolcharakter: Unmittelbar nach seiner Bewerbungsrede für den Landesvorsitz umarmen sich Burkhard Lischka und seine Vorgängerin im Amt, Katrin Budde – abseits der großen Bühne, sekundenlang, eine spontane Geste. „Jetzt drücken wir uns mal“, flüstert Lischka Budde zu. „Viel Glück“, raunt diese zurück.

Was ist passiert? In einer geschickten Rede, die den Nerv der Delegierten trifft, dankt Lischka ganz ausdrücklich Budde. „Sie hat mit ganzer Kraft und ganzem Herzen als unsere gewählte Spitzenkandidatin den Karren durch unwegsames Gelände gezogen. Wir alle, nicht nur Katrin, haben vor drei Wochen die Landtagswahl verloren.“

Das ist Balsam für die geschundene Seele der ehemaligen Fraktions- und Landesvorsitzenden. Budde selbst hält sich beim Parteitag zurück –keine Rede, keine Erklärung. Sie, bis vor kurzem noch im Mittelpunkt, wirkt jetzt ziemlich verloren auf ihrem Platz, vorne links.

Lischka sagt, nach der Wahlniederlage dürfe nicht einfach zur Tagesordnung übergegangen werden. Die SPD habe Fehler gemacht. „Das werden wir auswerten, von unten nach oben.“ Und: „Die SPD darf nicht verschwinden, und sie wird auch nicht verschwinden.“ Die SPD sei die Partei des gesellschaftlichen Zusammenhalts, und das werde in Zukunft so bleiben.

Auch angesichts des Wahlerfolgs der AfD sagt der 51-Jährige: „Wir dürfen uns jetzt nicht aus dem Staub machen und die Decke über den Kopf ziehen. Wir haben stürmische Zeiten, da dürfen wir uns nicht wegducken. Wir müssen für die Menschen und den Zusammenhalt der Gesellschaft hart rackern.“ Lischka warnt seine Partei vor „Selbstzerfleischung“ und „jeglicher Art von Häme“. Es dürfe kein Lagerdenken und keinen unnötigen Flügelstreit mehr geben.

Zuweilen flackert dieser Streit beim Parteitag auf. Etwa bei der Rede von Rainer Metke. Der Magdeburger sagt, es werde jetzt einen „rigorosen Bruch“ mit der bisherigen Finanzpolitik geben. „Das ist ein klares Eingeständnis, dass in erster Linie die Finanzpolitik für viele Wähler maßgeblich war, uns als SPD abzustrafen.“ Dafür habe der Finanzminister bislang keine Verantwortung übernommen, kritisiert er. Katrin Budde dagegen habe der Kürzungspolitik von Jens Bullerjahn immer wieder Einhalt geboten, etwa bei den Hochschulen. Metke sagt: „Wir dürfen keine Geschichtsklitterung und Legendenbildung zulassen, sonst wird der Neuanfang scheitern.“ Diese Rede erstaunt nicht wenige. Schließlich ist Metke stellvertretender Regierungssprecher und war jahrelang Sprecher von Jens Bullerjahn.

Es gab Zeiten, da wäre Bullerjahn nach so einer Rede nach vorne gestürmt und hätte losgepoltert. Jetzt steht er, mit langer Haarpracht, demon­strativ gelassen, ganz hinten im Saal und verzieht kurz spöttisch den Mund. „Das kenne ich schon“, winkt er ab. Bullerjahn hat schon vor Monaten angekündigt, dass er nicht mehr Minister werden will.

Stattdessen geht sein Staatssekretär Jörg Felgner ans Rednerpult. Durch die bisherige Finanzpolitik seien jetzt vorhandene finanzielle Spielräume erst erwirtschaftet worden, sagt er. Felgner möchte neuer Finanzminister werden. Doch eine Mehrheit in der SPD will nach der Bullerjahn-Ära das Finanzressort loswerden. Für Felg­ner wird das Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium ins Auge gefasst. Als Staatssekretär ist Armin Willingmann, Präsident der Landesrektorenkonferenz, im Gespräch.

Munter wird es, als Ronald Mormann redet. Der will von einem konspirativen Treffen im Magdeburger Restaurant „Alberich“ wissen. Dort, im Lieblingslokal von Kultusminister Stephan Dorgerloh, sei zwei Wochen vor der Landtagswahl Buddes Sturz geplant worden. Mormann behauptet: „Die Großkopferten haben den Dolchstoß für die Spitzenkandidatin vorbereitet.“ Dorgerloh dementiert energisch: „Das ist völliger Blödsinn.“ Intern bestätigt wird indes, dass zwei Tage vor der Wahl ein Termin im „Alberich“ geplant war. Das Treffen wurde aber abgeblasen.

Holger Hövelmann, 18 Jahre lang in Spitzenpositionen im Landesvorstand tätig, kündigt seinen Rückzug aus diesem Gremium an: „Auch ich trage Verantwortung dafür, in welcher Situation wir uns heute befinden“, sagt er in einer bemerkenswerten Rede.