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Vor Bundestagswahl Lischka: „Im Augenblick alles möglich“

SPD-Landesvorsitzender Burkhard Lischka stellt vor der Bundestagswahl Aufbruchstimmung in der Partei fest.

Von Michael Bock 17.02.2017, 00:01

Volksstimme: Herr Lischka, was hat sich mit der Kanzlerkandidatur von Martin Schulz in der SPD verändert?

Burkhard Lischka: Martin Schulz ist die Lokomotive, die die SPD für einen spannenden Wahlkampf im Bund, aber auch im Land braucht. Er steht mit beiden Beinen im Leben, kennt die kleinen und großen Sorgen der Menschen. Er ist ein Brückenbauer. In der Partei herrscht Aufbruchsstimmung, der Optimismus ist groß. Wir hatten seit Jahresanfang bis Ende dieser Woche mehr als 60 Neueintritte in die SPD in Sachsen-Anhalt. Sonst waren es meist zehn pro Monat. Das älteste Neumitglied ist 84 Jahre! Dennoch dürfen wir bei aller Aufbruchsstimmung nicht übermütig werden. Jetzt heißt es erst einmal, die Ärmel hochzukrempeln.

Halten Sie es wirklich für realistisch, dass Schulz Bundeskanzler werden kann?

Im Augenblick ist alles möglich.

Führt Martin Schulz dann als Kanzler eine rot-rot-grüne Regierung an?

Erst einmal hat der Wähler zu entscheiden. Die SPD wird keine Koalitionsaussage treffen. Letztlich geht es darum, mit wem nach der Wahl die zentralen SPD-Positionen umgesetzt werden können. Wir wollen wissen, welche Themen für die Parteibasis die wichtigsten sind. Darum wird die SPD im Sommer eine Mitgliederbefragung starten, deren Ergebnisse voraussichtlich im August vorliegen.

Wie ist es nach der für die SPD katastrophalen Landtagswahl im Frühjahr 2016 in Sachsen-Anhalt derzeit um die Partei bestellt?

Wir sind 2016 nicht zu Unrecht böse gestürzt. Entscheidend war aber, dass wir nicht liegengeblieben, sondern aufgestanden sind und eigene Fehler korrigiert haben.

Welche Fehler?

Wir haben in den zurückliegenden Jahren nicht immer erkennbar sozialdemokratische Politik gemacht. Es gab keine vernünftige Balance zwischen Konsolidieren und Investieren. Was nützen uns Haushaltsüberschüsse, wenn auf der anderen Seite nicht genügend Lehrer im Klassenzimmer stehen und Unterricht ausfällt oder wenn Polizisten auf der Straße fehlen? Da haben sich die Menschen völlig zu Recht von der SPD im Stich gelassen gefühlt.

Zu dieser Zeit hatte Finanzminister Jens Bullerjahn das Sagen in der SPD. Trägt er die Hauptschuld?

Jens Bullerjahn war der starke, der zentrale Mann in der SPD. Er hat nur ungern Ratschläge angenommen, ist manchmal mit dem Kopf durch die Wand gegangen. Ich hätte mir damals weniger Excel-Tabellen gewünscht, dafür mehr Empathie für die Alltagssorgen der Menschen. Mir hilft kein Benchmark, wenn ich sehenden Auges erlebe, dass die Unterrichtsversorgung unter 100 Prozent sinkt. Aber Fehler sind nicht Jens Bullerjahn alleine anzulasten, die Verantwortung trägt die gesamte Landespartei. Wir haben alle etwas gutzumachen.

SPD-Spitzenkandidatin zur Landtagswahl war zuletzt Katrin Budde. Sie möchte jetzt in den Bundestag. In Teilen der SPD wird das kritisiert. Haben Sie dafür Verständnis?

Ja, das verstehe ich. Aber auch hier gilt: Nicht Katrin Budde allein, sondern die gesamte Landes-SPD hat die Wahl verloren.

Nach der Wahlniederlage gab es in der SPD Stimmen, dass sich die Partei in der Opposition erholen und nicht wieder in die Regierung gehen sollte. Wie sehen Sie das heute?

Wir haben uns in die Pflicht nehmen lassen, und das war richtig. In den Koalitionsverhandlungen haben wir unsere zentralen Forderungen durchgesetzt. Zum Beispiel mehr Lehrer, mehr Polizisten, mehr Geld für Hochschulen und Kommunen. Das Land stünde heute vor einem Scherbenhaufen, wenn wir uns in die Schmollecke verzogen hätten.

Wieso?

In der CDU gab es damals durchaus auch Sympathien für eine von der AfD tolerierte Minderheitsregierung. Die vergangenen vier Wochen haben gezeigt, wohin das mit einer vor der Spaltung stehenden AfD-Landtagsfraktion geführt hätte. Eine solche Minderheitsregierung hätte das Land ins Chaos geführt.

Wie erleben Sie die AfD in Sachsen-Anhalt?

Die AfD befindet sich in einem Radikalisierungskurs, den ich noch vor einigen Monaten nicht für möglich gehalten hätte. Das dürfte spätestens nach der Bundestagswahl zu einer Spaltung führen zwischen den radikalen Kräften in der AfD und jenen, die eine konservative Partei neben der CDU installieren wollen.

Sollte der Verfassungsschutz die AfD beobachten?

Er sollte zumindest diejenigen in der AfD beobachten, die versuchen, den Schulterschluss mit dem rechtsextremen Milieu herzustellen.

Bleibt es dabei, dass Sie im Januar 2018 den Landesvorsitz abgeben?

Ja. Ich habe derzeit mehrere Fulltime-Jobs. Durchaus vorstellbar ist aber, dass ich wieder für den Landesvorstand kandidiere, dem ich ja seit Jahren angehöre. Was ich auf jeden Fall verspreche ist, dass ich mich mit aller Kraft in den Wahlkampf für die Landtagswahl 2021 reinhängen werde.

Wollen Sie SPD-Spitzenkandidat für die nächste Landtagswahl werden?

Das schließe ich zu 99 Prozent aus.