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Wahlbetrugsaffäre Landtagspräsident unter Druck

Linke, SPD und Grüne fordern: Landtagspräsident Hardy Peter Güssau (CDU) soll seine Rolle im Stendaler Wahlskandal erklären.

24.07.2016, 23:01

Magdeburg l Zunächst herrschte Sprachlosigkeit in der Landespolitik. Die neuen Informationen durch den Volksstimme-Bericht, wonach Landtagspräsident Hardy Peter Güssau als Stendaler CDU-Stadtverbandsvorsitzender vor zwei Jahren an vorderster Stelle mitgewirkt hat, die Wahlmanipulationen seines damaligen Parteifreundes Holger Gebhardt unter den Teppich zu kehren, lösten Entsetzen aus.

Am frühen Vormittag äußerte sich nur der altmärkische Landtags- abgeordnete der Linken, Andreas Höppner, über Twitter: „Das ist für den Landtags- präsidenten ein unwürdiges Verhalten. Rücktritt wäre die richtige Konsequenz!“

Die Volksstimme hatte aus dem Mail-Verkehr zwischen Güssau und dem CDU-Kreischef Wolfgang Kühnel zitiert, aus dem hervorgeht, dass eine Wiederholung der Wahl und eine Strafanzeige verhindert werden sollten. Demnach wurde hierfür auf die Wahlleiter von Kreis und Stadt Stendal gezielt Einfluss genommen. Güssau schaltete auch den damaligen Staatssekretär von Verkehrsminister und CDU-Landeschef Thomas Webel, Klaus Klang (CDU), ein.

Kurz nach Mittag reagierte die Landtagsfraktion der Linken mit einer Pressemitteilung: „Zweifellos steht somit ein schwerer Vorwurf gegen Hardy Peter Güssau im Raum“, erklärte ihr Parlamentarischer Geschäftsführer, Stefan Gebhardt. Der Landtagspräsident solle hierzu die Möglichkeit erhalten, „zu den im Raum stehenden Vorwürfen angehört“ zu werden. Erst danach will die Oppositionsfraktion den Fall bewerten.

In den Fraktionen wird von einer „schwierigen Situation für die Landespolitik“ gesprochen. Güssau hatte sich mit einer souveränen Leitung der ersten Landtagssitzungen und seinem strikten Umgang mit der AfD Respekt und Anerkennung erworben. Jetzt könnte der Fall jedoch zu einer ersten größeren Belastungsprobe für die Kenia-Koalition werden.

Der Stendaler war nicht unumstritten. Von der SPD wurde Güssau vor seiner Wahl ausdrücklich nach seiner Rolle bei der Briefwahlfälschung in Stendal befragt. „Da ist nichts“, habe er antwortet, erinnert sich SPD-Abgeordneter Jürgen Barth. „Die neuen Details lösen jetzt Fragen und Diskussionen aus“, betonte Barth nun. „Diese werden wir mit Hardy Peter Güssau in der Fraktion und im Ältestenrat führen.“

Eine Erklärung erwarten auch die Grünen. Landessprecher Christian Franke sagte: „Es ist erschreckend. Wir erwarten von Herrn Güssau, dass er sich öffentlich äußert, wie die damaligen Vorgänge mit der Würde und den Aufgaben seines Amtes als Landtagspräsident in Einklang zu bringen sind.“ Davon will die Partei abhängig machen, wie sie sich in der Frage weiter positioniert.

Am Abend reagierte auch CDU-Landesvorsitzender Thomas Webel: „Ich habe als CDU-Vorsitzender bereits Anfang November 2014 dazu aufgefordert, im Raum stehende Vorwürfe aufzuklären und dazu auch einen eigenen Beitrag zu leisten. Ich kann dies für meine Partei auch im Lichte der jüngsten Veröffentlichungen nur wiederholen.“ Webel bezeichnete es zugleich als „befremdlich, dass interne Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft in die Öffentlichkeit gelangen“. Dies werfe „einen Schatten auf die laufenden Ermittlungen, deren Ergebnisse im Übrigen von allen abzuwarten sind“.

Kurz vor Mitternacht meldete sich dann auch der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Daniel Roi, über Facebook zu Wort. Er wirft Güssau vor, Aufklärung zu behindern und fordert ihn zum Rücktritt auf, „denn für dieses Amt sind Sie offenkundig nicht geeignet“.

Der Landtagspräsident selbst ließ eine Frage der Volksstimme am Wochenende unbeantwortet - wie bereits in der vergangenen Woche.