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Bundestagskandidaten aus dem Wahlkreis Altmark stehen bei Volksstimme-Veranstaltung Rede und Antwort Wahlforum: Einsame Insel zum Debattieren

Von Volker Langner 18.09.2013, 03:11

Stendal l In vier Tagen wählt Deutschland den Bundestag. Am Montagabend stellten sich die sechs altmärkischen Direktkandidaten beim Volksstimme-Forum im Stendaler Landratsamt den Fragen der Zeitungsmacher und der Gäste. Und warben um die Stimmen der Bürger.

"Wir brauchen eine Streitkultur, um politisch voranzukommen", meinte René Schernikau (Piratenpartei) gegen Ende des knapp zweistündigen Forums, das die Volksstimme-Redakteure Bernd-Volker Brahms und Thomas Pusch moderierten. Schlagabtausche zwischen dem Sextett, das in der kommenden Legislaturperiode im Bundestag sitzen möchte, waren allerdings rar.

Sie kam kurz auf, als Marina Kermer (SPD) der schwarz-gelben Regierung vorwarf, bei der Bildung nichts aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt zu haben. "Doch, das Betreuungsgeld", warf Marcus Faber (FDP) ein. Worauf Kermer entgegnete: "Das ist bald wieder weg."

Die Sozialdemokratin gehört erst seit einem Jahr ihrer Partei an. Für sie kein Problem, sei sie doch offen für Neues, sagte sie während der Eröffnungsrunde. Und: "Es ist ganz gut, wenn mal jemand von außen in den Bundestag kommt, der nicht schon zehn Jahre in der Politik ist."

Politische Ziele in Schlagworte verpackt

Katrin Kunert (Die Linke) gehört dem Parlament seit zwei Legislaturperioden an. Werde der Bundestag da nicht langweilig, wollte Brahms mit seiner provokant gemeinten Frage ergründen. "Ich bin noch jung und habe Lust auf Wahlkampf und auf den Bundestag", antwortete sie auf diese aus ihrer Sicht "anmaßende Frage". Schließlich, so Kunert, gebe es zahlreiche Probleme, die sie mit nach Berlin nehme.

Jörg Hellmuth (CDU) will seine Erfahrung als Landrat in der Kommunalpolitik einbringen und sieht seine Kandidatur nicht als persönliches Risiko. "Ich trete an, um zu gewinnen."

Christian Franke (Grüne) sieht zwei aktive Kreisverbände in Stendal und Salzwedel hinter sich und damit die Grünen in der Altmark und sich selbst im Wahlkampf gut aufgestellt.

Nicht entmutigen lässt sich Faber von der jüngsten Wahlschlappe in Bayern, bei der seine Partei mit drei Prozent aus dem Landtag flog. "Mal sind wir oben, mal sind wir unten. Durchschnittlich lagen wir bei den letzten Wahlen bei 7,5 Prozent", merkte er an.

Schernikau versicherte, mit seinen Piraten am Ball bleiben zu wollen. "Wir müssen Visionen entwickeln", umschrieb er den Anspruch seiner Partei, um mehr als ein "Strohfeuer" zu sein.

Dass die Bundestagskandidaten in ihren Zielen mitunter gar nicht so weit entfernt sind, zeigte die Frage nach Schlagworten für ihre politischen Ziele. Franke nannte unter anderem Steuergerechtigkeit, Kermer soziale Gerechtigkeit, Kunert Mindestlohn, Faber Bildung, Schernikau Bildung für alle, Hellmuth wirtschaftliches Wachstum ohne Steuererhöhung.

Ins Detail ging es, als die Volksstimme-Moderatoren den Blick auf eine Reihe von Themenkomplexen wie Gesundheit, Wirtschaft, Soziales, Bildung und Finanzen lenkten. Bei der Diskussion um eine bessere Ärzteversorgung auf dem Lande fielen bekannte Schlagworte wie solidarische Krankenversicherung, das Einzahlen aller in die Kassen und die bessere Bezahlung der Mediziner. Es gab aber auch Vorschläge wie den "Einsatz von Krankenschwestern vor Ort" (Schernikau), den "Abbau der Bürokratie" (Kunert), die "Einrichtung von Filialpraxen mit mehreren Ärzten" (Hellmuth).

Von Arbeitsplätzen, Fröschen und der A 14

In Sachen Renten und Generationsgerechtigkeit erklärte Kermer, die Rente mit 67 könne korrigiert werden. Franke setzt sich "wie die SPD" für eine Garantierente von 850 Euro ein und fügte an: "Wir sind für Rot-Grün gerüstet." Faber machte klar, es müssten wieder mehr Kinder geboren werden, und verwies auf die Erhöhung des Kindergeldes in der schwarz-gelben Regierungszeit.

Bei der Debatte um die Ansiedlung von Arbeitsplätzen rückte die Nordverlängerung der A 14 in den Blickpunkt. Franke mahnte ein gut ausgebautes und saniertes Straßennetz an, hob dabei die Landesstraßen hervor. "Ich sammle zwar keine Frösche auf, glaube aber auch nicht an einen Aufschwung durch die A14." Kermer widersprach; viele Unternehmen fragten nach einer Anbindung an die Autobahn. Und die Chefin der Stendaler Arbeitsagentur plauderte aus dem Nähkästchen: Ein Zinkfertigungsunternehmen aus Großbritannien und ein Logistikunternehmen aus Hamburg seien schnell wieder fort gewesen, weil es keine Autobahnanbindung gebe. Hellmuth stimmte zu. Immer wieder werde die Frage der A14 gestellt, so der Ex-Landrat, der als Beispiel Interessenten für den Industrie- und Gewerbepark Altmark nannte.

Kunert wünschte sich, man möge die A14 endlich fertigbauen und sagte: "Ich habe die A14 als Wahlkampfthema der CDU satt." Sie wies auf weitere Möglichkeiten für mehr Arbeit in der Region hin, wie den Ausbau erneuerbarer Energien.

Schernikau sprach sich für größere Unterstützung kleiner und mittelständischer Unternehmen aus. "Wir müssen Betrieben, die hier sind, gute Bedingungen bieten", sah es Faber ähnlich. Er glaubt aber: "Wir kommen von der Arbeitslosigkeit zum Facharbeitermangel." Deshalb sei nicht nur der Straßenbau wichtig, sondern auch Angebote wie Theater und Schwimmbad.

Schnöggersburg erregt die Gemüter

Für Zündstoff sorgte eine der wenigen Fragen aus dem Publikum. Herbert Wollmann bezog sich auf eine Kritik von Kunert an Einsätzen der Bundeswehr im Ausland und dem Aufbau der Übungsstadt Schnöggersburg in der Colbitz-Letzlinger Heide. In diesem Zusammenhang erinnerte sie an die Verpflichtung, von deutschem Boden dürfe nie wieder Krieg ausgehen. Das passe mit Schnöggersburg nicht zusammen. Wollmann folgerte, alle, die nicht gegen Schnöggersburg seien, würden für Krieg sein, und sprach von einer "lächerlichen Unterstellung" Kunerts. Die wehrte sich: Sie sei nicht gegen die Angehörigen der Bundeswehr, aber gegen die Ausrichtung der Armee.

Auch Franke möchte "das" nicht, sagte er mit Blick auf Schnöggersburg, schränkte aber ein, mit der Ablehnung aller Bundeswehreinsätze, wie das die Linke handhabe, "kann man Völkermord nicht verhindern".

Weitere Fragen der Forumbesucher bezogen sich auf Lobbyismus im Bundestag und Kapitalversicherungen bei Renten.

Zum Abschluss war ein wenig Vorstellungsvermögen gefragt. Die sechs Bewerber sollten eine Frage beantworten: Stellen Sie sich vor, Sie werden in den Bundestag gewählt und bereiten sich auf einer einsamen Insel drei Wochen darauf vor - welchen Kandidaten würden Sie mitnehmen?

Während Kunert die Aussage verweigerte, übten Kermer und Franke den rot-grünen Schulterschluss. "Unser Boot ist groß. Ich nehme Herrn Franke mit", sagte Kermer, und Franke lud Kermer ein, um "für den Wechsel in Berlin zu üben". Hellmuth würde Faber mit auf die Insel nehmen. Faber selbst alle anderen, wobei er sagte: "Interessanter ist für mich, wo die Insel liegt."

Schernikau schließlich würde gern Faber dabei haben - zum Diskutieren. Schließlich glaubt er: "Wir brauchen eine Streitkultur, um politisch voranzukommen."

Eine Aufzeichnung des Forums zeigt der Offene Kanal Stendal am morgigen Donnerstag um 18 Uhr.