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Wahlkampf Laute Sprechchöre gegen Merkel

Bei einem Wahlkampfauftritt in Bitterfeld-Wolfen musste sich Bundeskanzlerin Angela Merkel AfD-Anhängern und "Lüge"-Rufen stellen.

29.08.2017, 17:15

Bitterfeld-Wolfen (dpa/sa) l Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist am Dienstag auf einer Wahlkampfveranstaltung der CDU in Bitterfeld-Wolfen ausgepfiffen worden. Zugleich stieß sie auf viel Beifall unter den mehreren Hundert Menschen, die zum Stadthafen am Tagebausee Goitzsche gekommen waren. Die Stadt mit rund 40.000 Einwohnern gilt als eine Hochburg von AfD-Wählern in Deutschland.

Nirgendwo bekam die Partei bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt 2016 so viele Stimmen: Die AfD erhielt aus dem Stand heraus 31,9 Prozent der Wählerstimmen. Die Partei ist im Landtag in Magdeburg als Fraktion vertreten, landesweit kam sie auf 24,3 Prozent. Die CDU erhielt bei der Landtagswahl 29,8 Prozent der Stimmen. Die Christdemokraten regieren unter Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) seit einem Jahr gemeinsam mit der SPD und den Grünen Sachsen-Anhalt.

In Bitterfeld-Wolfen hieß es auf Plakaten unter anderem: "Merkel muss weg", "Grundgesetz vor Merkel schützen" oder "Früher war ich CDU-Wähler, heute möchte ich Frau Merkel vor Gericht sehen". Als sie Steuererleichterungen für mittlere und kleine Einkommen versprach, wurde sie lautstark der "Lüge" bezichtigt, für ihre Argumente zur Flüchtlingspolitik erntete sie ebenfalls Proteste.

Zugleich spendeten ihr CDU-Anhänger und Einwohner viel Beifall für ihre Argumente, etwa für den Kampf gegen den Terrorismus gemeinsam innerhalb der EU, zu den Vorstellungen der Christdemokraten zur  Familien- und Bildungspolitik.

Bitterfeld-Wolfen hat sich rein äußerlich nach 1989 sichtbar gewandelt. Anstelle maroder und umweltverpestender Chemiebetriebe gibt es heute in einem sanierten Industrieareal, dem sogenannten Chemiepark, moderne mittelständische Produktions- und Dienstleistungsfirmen.

Merkel würdigte die Aufbauleistung der Menschen in Ostdeutschland. Sie erinnerte zugleich daran, dass in Bitterfeld-Wolfen "die Umwelt in dramatischer Weise verseucht war". Sie sagte: "Dank des Fleißes, Dank des Mutes von Menschen, die nicht geschrien haben sondern angepackt haben", habe sich die Region sichtbar verbessert; wenngleich Bitterfeld für die Zukunft aber nicht irgendeine Chemie sondern Spitzentechnologien- ,-Forschung und -Entwicklung für die Zukunft brauche, betonte Merkel. Ministerpräsident Haseloff dankte Merkel für ihr persönliches Engagement, Bitterfeld sei "quasi ein Paradies" geworden.

Mit dem Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft und dem gravierenden Strukturwandel in der ostdeutschen Chemie war die Arbeitslosigkeit in der 100-jährigen Industrieregion nach dem Mauerfall extrem in die Höhe geschnellt. Viele junge Menschen gingen daraufhin weg und suchten ihre berufliche und private Perspektive vor allem in Westdeutschland.

Politikwissenschaftler erklärten den Unterschied zwischen den Fakten und dem Wahlverhalten für die AfD zuletzt bei der Landtagswahl mit dem Gefühl, das bei Einwohnern geblieben sei, von der Entwicklung abgehängt zu sein.

Die Region (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) hat heute (Juli 2017) eine Arbeitslosenquote von 7,9 Prozent, rund 6600 Menschen waren im Juli arbeitslos. Landesweit waren es rund 94.800 Arbeitslose, Sachsen-Anhalts Quote lag mit 8,3 Prozent im Juli höher, wie ein Sprecher der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit in Halle sagte.