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Wassersport Freizeitkapitäne machen klar Schiff

Tausende Wassersport-Fans werden am Wochenende in den Magdeburger Messehallen erwartet. Das Hobby boomt in Sachsen-Anhalt.

Von Matthias Fricke 11.03.2017, 00:01

Magdeburg l Liebevoll schraubt Clemens von Witte an den Fenstern seines elf Meter langen Holzschiffs herum. Der 52-Jährige: „Sie sind leider undicht und das hier muss noch alles ausgebessert werden.“ Er zeigt noch auf größere Teile des Innenraums. Seine „AnTONia“ steht zurzeit noch mit mehreren anderen Booten im Magdeburger Yachthafen und befindet sich im Winterschlaf. Doch die Saisoneröffnung steht bereits kurz bevor. Der Freizeitkapitän will spätestens im April alles startklar haben. Den Namen seines Bootes gab der gebürtige Hamburger übrigens aus beruflichen Gründen: „Ich bin Leiter der Tontechnik beim Magdeburger Theater.“

Der gebürtige Hamburger nutzt jede freie Minute, um an seinem Schiff herumzubasteln. Er sagt: „Das ist schon ein ganz besonderes Hobby, in das man sehr viel Herzblut steckt.“

Und viele Stunden Arbeit. Zudem sind mehr als 20 000 Euro bereits in „AnTONia“ geflossen, nachdem von Witte das Boot im Jahr 2014 mehr oder weniger als Schrotthaufen übernommen hatte. Im vergangenen Jahr war dann die Taufe des 1965 in den USA gebauten Holzschiffes. Die beiden zweimal 260-PS-Motoren bringen es auf mehr als 50 km/h.

Dass man für dieses Hobby durchaus noch mehr Geld ausgegeben werden kann, weiß auch Dariusz Kasprzyk. Der Vertriebsleiter von „Palme Marin“ bietet auf der „Magdeboot“ eine Motoryacht für knapp eine Viertel Million Euro an. Und dies sei in dem Segment sogar noch preiswert, meint er. Über zu geringen Absatz kann er sich trotz des „höherwertigen Segments“ auch nicht beschweren. „Es liegen so viele Aufträge vor, dass die polnische Werft gar nicht hinterherkommt“, sagt er.

Den meisten Besuchern der Messe, wie Günter Rachholz aus Magdeburg, sind solche Yachten ohnehin einige Hausnummern zu groß: „Viele denken beim Kauf solcher Boote auch gar nicht an die Unterhaltungskosten.“ Er selbst habe sein kleines Kajütboot aus diesem Grund auch wieder verkauft. Es habe ihn im Jahr bis zu 3000 Euro gekostet. „Irgendwo muss man das Boot ja auch unterstellen. Dann kommen noch Versicherungskosten und vieles mehr dazu“, sagt der Magdeburger. Nun sei er auf der Suche nach einer Charterfirma, bei der er sich ein Boot mieten kann, wenn er es gerade benötigt. Doch dieser Markt ist erst noch am Wachsen.

„Bootscharter gibt es bisher noch wenige. Das könnte an den nautischen Herausforderungen auf den einheimischen Flüsse liegen“, meint Matthias Beyersdorfer vom Wassertourismus-Verein „Blaues Band“. Vermieter von Motorbooten gebe es in Havelberg, Schollene, Wolmirstedt, Aken, Halle und Naumburg und an der Goitzsche sowie am Geiseltalseee. Vereinzelt auch in Magdeburg.

Der motorisierte Wassersport erlebt insgesamt aber einen Aufwind. „Jährlich gibt es in unserem Bereich etwa tausend Neuanmeldungen von Kleinfahrzeugen bis 15 Meter“, sagt Hartmut Rhein, Leiter des Schifffahrtsbüros im Magdeburger Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt. Zu seinem Bereich gehören auch Teile Brandenburgs. Die Zahl der tatsächlichen Neuanmeldungen aus Sachsen-Anhalt dürfte aber noch weit höher liegen, da Zulassungen von Booten auch bei Vereinen, wie dem ADAC und Deutschen Motoryachtverband möglich sind.

Einen Schub gab auch eine Gesetzesänderung. Bis zum 17. Oktober 2012 benötigten Freizeitkapitäne auf Bundeswasserstraßen bereits bei einer Motorisierung ab 5 PS einen Sportbootsführerschein. Diese Grenze wurde damals auf 15 PS angehoben. Kritiker befürchteten dadurch zunehmend Unfälle. Diese konnte die Wasserschutzpolizei Sachsen-Anhalt aber nicht feststellen.

Der Leiter der Wasserschutzpolizei Sachsen-Anhalt Frank Rim: „Die meisten fahren sehr vernünftig und halten sich an die Verkehrsregeln.“ Vor der Einführung der 15-PS-Regelung im Jahr 2011 registrierte die Polizei auf den Bundeswasserstraßen im Jahr 2011 18 Unfälle. Im vergangenen Jahr waren es 21.

Rim schränkt aber ein: „Bei schwierigen Witterungsbedingungen und an Schleusen macht sich die fehlende Ausbildung bemerkbar.“

Stark im Kommen sind auf Elbe, Saale und Havel auch die nichtmotorisierten Boote. Matthias Beyersdorfer vom Blauen Band: „Kanu-Vermietungen mit Transferservice gibt es an der Elbe, Saale, Unstrut, Bode und Havel zahlreich. Insbesondere im traditionsreichen Kanu­revier obere Saale und Unstrut gibt es sehr viele Anbieter.“

Eine Zunahme im Bereich Kanu, Kajak und Drachenboote sieht auch Niels Wedler von der Magdeburger Biber-Kanu-Touristik: „Wir hatten mit mehr als 3300 Gästen so viele Buchungen wie nie.“ Schulklassen kamen sogar aus Oschatz, Halberstadt und Braunschweig zum Paddeln nach Magdeburg an die Elbe.

Auch bei den Seglern gibt es viele Neuzugänge. Enrico Hauschild vom Landes-Seglerverband Sachsen-Anhalt: „Wir spüren einen deutlichen Anstieg der Mitglieder. Vor allem im Zusammenhang mit Trend-Sportarten wie Kite-Surfen (Lenkdrachensegeln) gibt es neue Vereinsgründungen.“ Insgesamt gebe es in Sachsen-Anhalt 32 Vereine mit 1600 Mitgliedern.