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Pfarrerinnen Weibliche Doppelspitze im Genthiner Pfarrhaus

In Genthin teilen sich zwei Frauen eine Pfarrstelle - und sie leben als Paar.

Von Simone Pötschke 30.09.2015, 01:01

Genthin l Die evangelischen Pfarrerinnen Beate Eisert (46) und Magdalene Wohlfarth (57) sind erst knapp einen Monat im Dienst – und schon herrscht im Pfarrhaus der St. Trinitatisgemeinde in Genthin ein reges Kommen und Gehen. Viele Menschen möchten mit den Pfarrerinnen sprechen.

Für Eisert und Wohlfarth hat nach dem thüringischen Dienstort Kirchheilingen nun die „Berufsetappe“ in Genthin begonnen. Schon dort hatten sich die beiden in den vergangenen zwölf Jahren die Pfarrstelle geteilt. „Als wir den Dienst antraten, gab es bei einzelnen Menschen in den Dörfern Bedenken, ob auch die Älteren uns als Pfarrerinnen akzeptieren würden, da wir nicht nur zusammen arbeiten, sondern auch zusammen leben“, erinnert sich Magdalene Wohlfarth, eine Pfarrerstochter aus Gotha. Doch das Gegenteil sei eingetreten.

„Vielleicht fanden auch einige wieder Zugang zur Kirche, die selbst in zerbrochenen Familienverhältnissen oder auch in ungewöhnlichen Patchwork-Konstellationen leben“, mutmaßt Beate Eisert, die in Berlin aufwuchs und dort ihr Theologiestudium begann. „Durch das Leben eines nicht traditionellen Pfarrerbildes senden wir offenbar ungewollt die nonverbale Botschaft, dass jeder Mensch, egal in welcher familiären Situation er lebt, in der christlichen Gemeinschaft willkommen ist“, so die Erfahrung der beiden Pfarrerinnen.

Trotz erfolgreicher Arbeit in Thüringen in einem ländlich geprägten Kirchspiel wagten die beiden nun den Neuanfang in Genthin. Beate Eisert und Magdalene Wohlfarth, die neben Theologie auch Kirchenmusik studiert hat, wurden auf die Ausschreibung der Pfarrstelle Genthin aufmerksam, weil diese differenziert und interessant gewesen sei. Es sei nach zwölf Jahren Zeit gewesen, sich neu zu orientieren und eine neue Herausforderung zu suchen – wieder in bewährter Form als Team.

Mit der Arbeitsteilung haben die beiden Frauen gute Erfahrungen gemacht: Es bleibe mehr Zeit für alle Aufgaben. Zudem könne man sich direkt austauschen und Ideen sammeln – für neue Projekte wie Glaubenskurse, Musicals mit Kindern und Jugendlichen und auch modernere Gottesdienste wie die „Finnische Messe“, ein Gottesdienst „für Zweifler und Suchende“. Damit hätten Eisert und Wohlfarth in ihrem letzten Wirkungskreis auch kirchenfernere Menschen angesprochen und begeistert. Kurz: eine doppelte Besetzung gebe mehr Freiraum für innovative Ideen.

Trotz einzelner Bedenken war die Mehrheit der Gemeindemitglieder sehr offen und aufgeschlossen für die Bewerbung der beiden Pfarrerinnen. Günter Sander, Vorsitzender des Gemeindekirchenrates, sieht die mit den beiden Pfarrerinnen auf einem guten Weg: „Wir sind zufrieden, dass wir sie haben. Sie haben der Gemeinde gegenüber kein Geheimnis aus ihrer Lebensform gemacht und diese akzeptiert das.“ Freilich sorgten die beiden Pfarrerinnen im Vorfeld für Gesprächsstoff unter den Genthinern. „Auf offene Ablehnung sind wir jedoch nicht gestoßen, uns sind bisher nur freundliche Menschen begegnet“, fasst Beate Eisert ihre ersten Erfahrungen in der Kleinstadt zusammen. Dass sich die Pfarrerinnen ausschließlich über die kirchliche Verkündigung und nicht über ihre Lebensform definieren, ist für Sander das Hauptargument, die Geschicke der Gemeinde in die Hände der beiden Frauen zu legen. Eisert und Wohlfarth wollen in Genthin Wege zu den Menschen suchen: „Wir wollen Menschen auf ihren Lebenswegen begleiten und Möglichkeiten eröffnen, mit dem Glauben gute Erfahrungen zu machen.“

Immer wieder sei vom christlichen Abendland zu hören und zu lesen. Aber viele wüssten gar nicht mehr, was sich dahinter verberge und welche Inhalte der christliche Glaube hat, sagt Magdalene Wohlfarth und sieht in diesem Defizit eine große Herausforderung ihrer Arbeit als Pfarrerin.