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Weihnachtsbäume Mit der Axt in Sachsen-Anhalts Wäldern

Am Wochenende waren im Külzauer Forst bei Lostau (Jerichower Land) mehr als 100 „Selbsternter“ unterwegs.

17.12.2018, 23:01

Möser l Schon kurz vor 11 Uhr reiht sich auf dem Waldweg vor dem Forsthaus Külzau Auto an Auto. Die meisten mit JL-Kennzeichen, aber auch viele Magdeburger. Sie warten darauf, dass Revierförster Norbert Olschewski den Startschuss gibt und der Tross ein paar 100 Meter weiter bis in die kleine Kiefern-Plantage unweit von Lostau fahren kann.

Seit 25 Jahren gibt Olschewski in der Adventszeit Flächen frei, auf der jeder, der Lust hat, seinen Weihnachtsbaum selber schlagen kann. Doch in diesem Jahr hat er ziemliche Bauchschmerzen. „Fichten gibt es kaum noch“, winkt er ab. „Erst die große Trockenheit, die den Beständen zugesetzt hat, dann der Borkenkäfer und zu allem Unglück kam dann noch die neue Pilzerkrankung hinzu.“

„Wir haben das ganze Jahr über nur Totenbestattung gemacht“, nennt er das Aufräumen in den Flächen mit abgestorbenen Bäumen oder in Windbruchgebieten seines 4200 Hektar großen Reviers zwischen Elbe und der Landesgrenze nach Brandenburg bei Ziesar. Da blutet das Försterherz.

Damit die mit Sägen und Äxten Bewaffneten wenigstens noch eine kleine Auswahl haben, hat der 57-Jährige aus dem Revier Güsen insgesamt 40 Bäume geholt – Blautannen, Fichten.

Allerdings bricht er für die Kiefern eine Lanze: „Ich sehe das genauso wie die meisten meiner Kunden: Eine Kiefer, frisch geschlagen und am richtigen Platz aufgestellt, kann bis Ostern stehen bleiben.“

Die Autos haben auf der Waldwegkreuzung Parkplätze gefunden. Vor der Kiefernschonung knistert in einer großen Eisenschale ein Holzfeuer. Es hat begonnen, zu schneegrieseln. Der Wärmespender ist schnell umringt.

Neben der Feuerschale hat Kerstin, die Ehefrau des Revierförsters, ihren Stand. Glühwein, Kinderpunsch und andere warme Getränke gehen weg, wie warme Semmeln.

Derweil haben sich die Ersten auf die stattlichen Kiefern aus Güsen gestürzt. Die Schlange vor dem kleinen Tisch mit der Weihnachtsbaumkasse wird immer größer. Je nach Größe kosten die Bäume fünf, zehn oder 15 Euro. Am Nachmittag, nach Ende der Aktion, stehen im kleinen Wäldchen am Külzauer Weg 95 Bäume weniger.

Familie Wertan aus Burg hat ihren Baum gefunden. „Mit dem Baumschlagen fängt für uns das Weihnachtsfest an“, sagt Vater Uwe. Und seine Ehefrau Biuanca fügt an: „Selbst der hässlichste Baum, den man aus dem Wald mit nach Hause bringt, wird schön, wenn er erst einmal geschmückt ist.“

Die 13 Jahre alte Tochter hat schon die kleine Säge in der Hand. „Nachher, wenn ich den hier abgesägt habe, suchen wir noch einen für mein Kinderzimmer“, freut sich Vanessa. Und damit liegen die Burger voll im Trend. Denn seit einigen Jahren steht in immer mehr Häusern und Wohnungen mehr als nur ein Weihnachtsbaum.

Ernst Reger aus Burg hat sich eine der letzten Tannen ausgesucht. Er wuchtet den mehr als mannshohen Baum am Glühweinduft vorbei zur Verpackungsröhre. Auf der anderen Seite steht Theo Post und zieht den künftigen Christbaum ins Netz. „So,“ sagt Reger, „jetzt etwas für den Magen. Schließlich ist Mittag.“

Neben dem Glühweinstand wendet Torsten Geschke die „Thüringer“ und die Bouletten auf dem Holzkohlegrill. Der Schwager des Försters ist jedes Jahr dabei. „Heute gehen die Bratwürste am besten.“

Familie Prager aus Magdeburg holt sich das erste Mal einen Baum direkt beim Produzenten „Mutter Natur“. „Ökologisch und kostengünstig. Außerdem macht es großen Spaß sich mit Freunden und der Familie im Wald einen Baum auszusuchen.“

Revierförster Olschewski ist sich sicher: „Der Natur-Weihnachtsbaum verliert nicht an Bedeutung.“ Mehr und mehr junge Paare entscheiden sich für diese Tradition. Die Nachfrage nach kleineren Bäumen von 1,50 bis 1,75 Meter nehme zu. Geerntet werden die Bäume im Alter von acht bis zwölf Jahren.

30 Prozent der Bäume werden direkt bei landwirtschaftlichen Betrieben gekauft, weitere 30 Prozent im Straßenhandel und der Rest in Supermärkten sowie in Garten- und Baumärkten.

Die Bequemlichkeit siegt: Auch 70 bis 80 Zentimeter hohe Bäumchen mit fertig montiertem Holzständer werden immer beliebter.

Zehn bis zwölf Prozent der Weihnachtsbäume werden im Topf gekauft. 88 bis 90 Prozent werden geschlagen.

Die ersten Autos rollen Richtung Lostau, auf den Dachgepäckträgern Bäume. Die Spitzen größerer Exemplare schauen aus Kofferräumen und Seitenfenstern. Langsam leert sich der Verkaufsplatz und das Feuer brennt langsam nieder.