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Weltkriegsmunition Bis zu 20 Bombenfunde pro Jahr

In den vergangenen 25 Jahren sind in Sachsen-Anhalt mehr als 7200 Bomben aller Kategorien entschärft worden. Ein Ende ist nicht absehbar.

Von Matthias Fricke 27.11.2017, 00:01

Magdeburg l Nach Schätzungen von Experten schlummern noch etwa 100.000 Tonnen Blindgänger bundesweit im Boden. „Für den Bereich von Sachsen-Anhalt ist das aber schwer zu sagen. Da liegen uns keine Zahlen vor“, erklärt der Einsatzleiter des Kampfmittel-beseitigungsdienstes, Torsten Kresse. Fest steht nur, dass vor allem Magdeburg, Halle, Halberstadt und Leuna (Saalekreis) aufgrund der Industrie im Zentrum der Bombardierungen lagen. Entsprechend häufig gibt es dort auch jedes Jahr Funde.

„Besonders belastet sind aber auch Gebiete zum Beispiel im Harz und die Bereiche des Elbufers zwischen Tangermünde und Havelberg“, erklärt Kresse. Dort haben sich zum Ende des Krieges ganze Armeen aufgelöst und ihre nicht verschossene Munition einfach weggeworfen oder vergraben. Mehr als 72 Jahre lagen auch die beiden vor einigen Tagen von Forstarbeitern in einem Wald bei Tangerhütte gefundenen 45-Kilo-Sprenggranaten unter der Erde. Der letzte Herbststurm hat das tödliche Erbe aus dem Zweiten Weltkrieg ans Tageslicht befördert. Die Blindgänger steckten in der Wurzel eines umgekippten Baumes fest.

Der alarmierte Kampfmittelbeseitigungsdienst untersuchte die Granaten. Einsatzleiter Torsten Kresse: „Die Zünder sind vermutlich beim Aufschlag abgeschert worden.“ Wären die Granaten explodiert, hätten die Splitter 500 bis 600 Meter weit fliegen und Menschen lebensgefährlich verletzten oder gar töten können. Doch die Geschosse waren am Ende transportfähig.

Das ist nicht immer so. „Wenn wir feststellen, dass Langzeitzünder an den Granaten oder Bomben sind, sprengen wir gleich vor Ort“, erklärt Kresse. Jede Bewegung könnte eine Detonation auslösen. So musste sein Team vor drei Jahren gleich an der Fundstelle eine Fünf-Zentner-Bombe in Bad Dürrenberg sprengen.

Alltag sind aber nicht die jährlich bis zu 20 entdeckten Bomben, die von den Experten entschärft werden. Es seien vor allem kleinere Munitionsteile und Granaten, wie die in Jerchel, die Sorge bereiten. Bis Ende Oktober gab es 277 solcher Funde, im vergangenen Jahr waren es 300.

Gefährdet sind dabei auch immer noch die Bauern, die beim Bestellen ihres Ackers auf Granaten und Bomben stoßen. Einige Blindgänger werden sogar erst in den Sortieranlagen entdeckt.

„Manchmal ist es pures Glück, dass es nicht zu einer Detonation gekommen ist“, sagt Kresse. So hatte in der Nähe von Leuna am 22. August ein Bauer mit einem Pflug eine Bombe aus dem Erdreich gerissen. Nur weil der Kopfzünder nicht vorhanden war, blieb die Explosion aus. Der Acker soll nun gründlich abgesucht werden. Wie Feldsteine „wachsen“ auch Granaten oder Bomben aus dem Boden. Unter anderem der Frost drücke die Munition hoch, so Kresse. Ein Phänomen, mit dem auch der Truppenübungsplatz in der Colbitz-Letzlinger-Heide zu tun hat. Oberleutnant Alexander Helle, Sprecher des Gefechtsübungszentrums Altmark: „Obwohl der Platz geräumt ist, finden wir immer wieder neue Munition.“

30 zivile Mitarbeiter suchen das Gelände mit Sonden das ganze Jahr über ab. Zehn als Feuerwerker speziell ausgebildete Soldaten müssen dann die sowjetische Munition entschärfen oder, wie in dieser Woche erst geschehen, vor Ort sprengen. „Für deutsche Weltkriegsmunition müssen wir aber den Kampfmittelbeseitigungsdienst rufen“, erklärt Helle. In den vergangenen 25 Jahren sind allein in der Colbitz-Letzlinger Heide 25.000 Tonnen Munition geborgen und entsorgt worden.

Der Trupp des Kampfmittelbeseitigungsdienstes Sachsen-Anhalt hat seinen Sitz im Technischen Polizeiamt in Magdeburg. Zum Team gehören 30 Arbeiter und Fachkundige, die im Außeneinsatz sind. Dazu kommen fünf Verwaltungsfachkräfte.