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Weltkriegsmunition Mehr Funde wegen Niedrigwassers

Wegen den niedrigen Wasserständen in Sachsen-Anhalt stellt sich der Kampfmittelräumdienst auf Entdeckungen von Weltkriegs-Munition ein.

Von Christian Luckau 18.07.2018, 16:15

Hohenwarthe l Für kurze Zeit hielten alle Beteiligten die Luft an, als Kinder beim Spielen vor zwei Wochen am Ufer der Elbe Munition aus dem Zweiten Weltkrieg fanden. Und das am Rande eines populären Festes, bei dem Menschen genau diesen Fluss schwimmend durchqueren. Die Frage bleibt: Was hätte passieren können? Denn die Gefahr ist weder unter Wasser noch an Land immer als solche erkennbar. Das bestätigt auch der Leiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes in Sachsen-Anhalt, Torsten Kresse.

„Durch das Auf- und Ablagern von Sedimenten durch den Elbstrom selbst ist Munition im und am Wasser schwer zu finden. Hinzu kommt, dass gefährliche Überbleibsel aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges durch Anhaftungen von Kalk und Kies oftmals wie Steine aussehen“, beschreibt er die Situation.

Angst oder Panik will er nicht verbreiten. Zwar gab es in ganz Sachsen-Anhalt in diesem Jahr bereits 182 Fundstellen, davon waren aber nur 16 im Wasser. Im Juni und Juli allerdings allein zehn. „Das hängt natürlich mit dem niedrigen Elbpegel zusammen“, betont Kresse. Für ihn und seine 25 Kollegen gibt es einen klaren Zusammenhang zwischen Wetterlage und Fundstellen. „Als 2014 der Elbpegel an der Strombrücke bei 70 Zentimetern stand, da hatten wir eine Menge an Fundmunition. Jetzt liegt der Pegel bei 68 Zentimetern, das heißt für uns, wir stellen uns auf vermehrte Funde ein.“

Das Geschäft von Kresse und seinem Team sind die Reste des Krieges, nicht nur, wenn jemandem etwas komisch vorkommt, auch dann, wenn Bauvorhaben anstehen und Flächen frei geräumt werden müssen. „Deutschland war Kriegsschauplatz und Sachsen-Anhalt so etwas wie der Truppenübungsplatz des Zweiten Weltkrieges. Hier trafen Ost- und Westfront, Sowjets und Amerikaner, zusammen und in der Mitte standen die Deutschen mit ihren Waffen. Wir finden entsprechend alles hier.“

Einer der Schwerpunktbereiche ist das Jerichower Land. Wegen der Nähe zur Landeshauptstadt und dem unmittelbaren Anschluss an die oberhalb liegenden Elbgebiete, an denen sich 1945 viele deutsche Truppen sammelten, um die Elbe zu überqueren. „Gerade im Harz und an den damaligen Brückenköpfen bei Tangermünde werden noch immer viele Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden. Aber auch in Magdeburg oder eben in Hohenwarthe gibt es immer mal wieder Funde“, erklärt der Chef des Kampfmittelbeseitigungsdienstes. Dabei verweist er darauf, dass Fundstellen nicht automatisch auch immer die Bergung von Munition oder Kriegswaffen bedeuten. „Fundstellen sind all das, was Bürger finden und als gefährlich einschätzen, egal ob an Land oder am Wasser“, so Kresse.

Vom Niedrigwasser der Elbe geht, was Munitionsfunde angeht, laut Kresse keine erhöhte Gefahr aus. Spazieren im seichten Wasser der Elbe zwischen den Buhnenköpfen ist nicht gefährlicher als das Durchschreiten anderer Wasserbereiche, versichert der Kampfmittelexperte. Er verweist aber auch darauf, dass es eben Gebiete gibt, in denen sich Funde häufen und in denen eine gewisse Vorsicht an den Tag gelegt werden sollte.

Panik muss dennoch niemand haben, sollte er versehentlich auf eine alte Tellermine treten, betont Kresse. Eine Gefahr sei nicht grundsätzlich auszuschließen, die Wahrscheinlichkeit sei jedoch gering, dass die Munition hochgeht. „An der Munition hat sich so viel abgelagert, dass eine regelrechte Kruste entstanden ist“, sagt Kresse. „Kritisch wird es erst, wenn jemand versucht, die Kruste mit einem Stein abzuschlagen.“

Kresse warnt deshalb davor, mit elektronischen Sonden oder Magneten gezielt auf die Suche nach Weltkriegsüberresten zu gehen. „Was 70 Jahre in der Erde oder im Wasser lag, ist oft nicht mehr als Munition erkennbar. Da spielen die Leute mit dem Feuer.“ Genau deshalb erhebt das Land keine Gebühren, wenn jemand die Polizei über Fundmunition informiert, die Kampfmittelräumer das Objekt aber als harmlos bewerten. Zudem verstößt die Suche nach Munition gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz.