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Westpakete Der Duft von Seife und Orangen

Den speziellen Duft haben Ältere noch in der Nase. Mit dem Phänomen Westpaket hat sich eine Stendalerin wissenschaftlich beschäftigt.

Von Bernd Kaufholz 12.12.2018, 13:46

Magdeburg l Geschenksendung – keine Handelsware“, dieser Hinweis war auf Millionen von Päckchen und Paketen zu lesen. Absender: BRD, Empfänger: DDR. Besonders in der Vorweihnachtszeit bereicherten die Pakete von Westverwandte oder -bekannten viele Gabentische im Osten Deutschlands.

Doch die Geschichte der „Hilfspakete“ reicht weiter zurück. In den ersten Jahre nach dem Krieg waren es die Pakete. mit der Aufschrift „C.A.R.E. – U.S.A.“ Sie wurden zum Traum von Freiheit und Wohlstand im grauen Nachkriegsalltag.

Dem gegenüber standen in der sowjetischen Zone die „Pajoks“. Da diese Pakete jedoch nicht von privaten Spendern finanziert, sondern vom Staat als eine Art Prämie zugeteilt wurden, erhielten sie schnell den Namen „Stalinpakete“.

In Zeiten des Wirtschaftswunders in der Bundesrepublik wuchs in der Bevölkerung das Bewusstsein für die in der Nachkriegszeit empfangenen Hilfe. Viele wollten nun selbst Verwandte und Bekannte in der DDR unterstützen.

Aus diesem Grund mahnten Aufrufe im Westen Deutschlands die Bürger regelmäßig, ihren „armen Brüdern und Schwestern“ im Osten Deutschlands Päckchen und Pakete zu schicken. Das taten sie auch.

Viele erinnern sich heute noch an die große Freude, die die Westpakete ins Haus brachten. Dabei ist es vor allem der unverwechselbare Geruch – die Mischung aus Kaffee, Kakao, Seife, Schokolade sowie Orangen und Puddingpulver, die beim Öffnen den ganzen Raum erfüllte – den viele der Beschenkten noch in der Nase haben. Allerdings gab es auch lange Gesichter, wenn statt der gewünschten Zigaretten, dem Kaugummi oder den Südfrüchten, Salz, Erbsen oder andere Produkte lagen, die auch in der DDR zu haben waren. Und schließlich darf auch nicht vergessen werden, dass jedes Paket in die DDR steuerlich abgesetzt werden konnte.

Es gab jedoch auch „Ostpakete“, die regelmäßig an Verwandte und Bekannte in die Bundesrepublik geschickt wurden. Sie hatten ebenfalls einen typischen Geruch – den nach selbstgebackenem Stollen. Doch auch mit klassischer Literatur, Schallplatten und kunstgewerblichen Gegenständen bemühten sich die Menschen aus der DDR, eine Freude zu bereiten. Wer Glück hatte, bekam Kochgeschirr aus Jenaer Glas durch, was allerdings auf der roten Ausfuhrliste stand.

Die Geschenksendungen zwischen West und Ost durchbrachen nicht nur symbolisch die Mauer, sondern auch ganz praktisch.

Die Zeit nach 1990 stellte die zwischenmenschlichen Beziehungen vor eine Herausforderung. Vieles änderte sich und bisher praktizierte Verhaltensweisen standen auf dem Prüfstand. Unterstützung per Päckchen und Paket war in bisheriger Form nicht mehr nötig, denn der „goldene Westen“ hielt Einzug in das Leben östlich der Elbe.

Mit dem Phänomen Westpaket hat sich die gebürtige Stendalerin Konstanze Soch wissenschaftlich beschäftigt. Am Donnerstag hält sie in der Gedenkstätte Deutsche Teilung in Marienborn einen Vortrag.

  • Konstanze Soch wurde 1988 in Stendal geboren.
  • Studium an der Otto-von-Guerickke-Universität Magdeburg.
  • Dissertation: „Eine große Freude? Der innerdeutsche Paketverkehr im Kalten Krieg (1949-1989) – Campus-Verlag.
  • Tätig beim Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen Berlin.

Der angekündigte Vortrag und das Gespräch am Donnerstag, 13. Dezember, 17 Uhr, an der Gedenkstätte Deutsche Teilung, Marienborn muss kurzfristig wegen Krankheit entfallen!