Zug um Zug ein Kinderspiel

Magdeburg/Halberstadt l „Gordon, ich komme nicht mehr weiter – das Brett ist voller Pferdeäpfel“, ruft eines der Kinder durch das Spielzimmer der Magdeburger Kita Friedensreich. Schnell eilt Gordon An-dre zum Tisch des Mädchens: „Schau nochmal genauer hin. Dein Pferdchen kann noch nach C7 und F4 hüpfen.“

Gordon Andre ist einer der 13 Trainer des Vereines Schachzwerge, der seit 2009 in Kitas und Grundschulen Schachunterricht gibt. Mittlerweile sind sie in 33 Magdeburger Einrichtungen tätig und trainieren wöchentlich mit den Kindern.

In dieser Unterrichtsstunde lernen die Kleinen gerade die Figur des Springers kennen. „Wir bringen den Kleinen nach und nach die einzelnen Figuren bei. Immer auf spielerische Art und Weise“, erklärt Andre. So üben die Kinder, wie und wohin sich die Figur bewegen darf. In dieser Übung hinterlässt das Pferdchen des Springers nach jedem Sprung einen Pferdeapfel (bunte Perlen) auf dem Brett. Je mehr Felder mit einer Perle belegt sind, desto schwieriger wird es für die Kinder, die Figur zu bewegen.

Ausschlaggebend für die Gründung des Vereins war eine Studie der Universität Trier. Dabei wurden zwei Schulen über vier Jahre begleitet. Eine Schule führte in dieser Zeit eine Stunde Schachunterricht ein. Ergebnisse dieser Studie zeigten auf, dass die Kinder der Schachschule in Vergleichstests in Deutsch und Mathematik mehr als doppelt so gut abschnitten als die andere Schule und der landesweite Durchschnitt.

„Mit Schach kann das logische Verständnis bei Kindern gefördert werden. Weiterhin erlernt das Kind auch taktische und strategische Kompetenzen“, erklärt Dr. Daniel Clauß, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum in Halle. Zusätzlich wirke sich das Spielen von Schach auf die Entwicklung von Konzentration und Aufmerksamkeit aus, was sich bei den schulischen Leistungen bemerkbar macht.

Deutlich älter als die Trierer Studie von 2007 ist die Schachpflicht an der Grundschule in Ströbeck. Seit 1823 besteht diese in dem Halberstädter Ortsteil. Nicht umsonst trägt die Ortschaft seit 1991 den Beinamen Schachdorf. Der Legende nach soll im Jahr 1011 ein adliger Gefangener des Halberstädter Bischofs seinen Bewachern im heutigen Schachturm das Spiel beigebracht haben. Angeblich soll es sich bei dem Gefangenen um den Markgrafen von Meißen Gunzelin von Kuckenburg gehandelt haben. Seither ist das Schachspiel aus dem Dorf nicht mehr wegzudenken.

So ist es kein Wunder, dass die Deutsche Schachjugend und die Deutsche Schulschachstiftung in diesem Jahr auch im Harz Halt machten und dort am vergangenen Wochenende den Schulschach-Kongress abhielten. „Das Schachdorf Ströbeck mit seiner Schachtradition und dem Schachmuseum weckte bereits im Vorfeld großes Interesse“, verrät Mitorganisatorin Christel Kliefoth. Einer der Höhepunkte des Kongresses war das traditionelle Showschachspiel vor dem Rathaus, bei dem sich die Einwohner als Schachfiguren verkleiden und über ein großes Schachfeld ziehen. Zudem fanden Workshops im Halberstädter Seminarhotel K 6 und in Ströbeck statt. Dabei ging es auch um Schach als Schulfach und die Kombination des Spiels mit pädagogischen Aspekten.

Magdalena Gerlach, Leiterin der Magdeburger Kita Friedensreich, freut sich über das große Interesse ihrer Schachzwerge: „Die Kinder sind zwischen vier und fünf Jahren alt und die Schachkurse sind immer schnell ausgebucht.“ Selbst außerhalb der Trainingszeiten wollen die Schachlehrlinge mit ihren Erziehern spielen. „Ein, zwei Mal musste ich mich sogar schon geschlagen geben“, gibt die Leiterin lachend zu. Als erste Einrichtung in Magdeburg bot sie damals den Kurs der Schachzwerge an. Seitdem ist auch Schachlehrer Gordon Andre einmal pro Woche in der Kita und übt mit den Kindern.

Insgesamt hat der Verein mittlerweile 550 Mitglieder. Darunter auch zahlreiche Kinder, die an Wettbewerben und Turnieren teilnehmen. „Im vergangenen Jahr sind wir beispielsweise mit unserer U10 deutscher Mannschafts-Meister geworden“, erzählt Andre, der selbst zwölf Kurse leitet. Auch in diesem Jahr wird der Verein wieder an den deutschen Meisterschaften teilnehmen. Der Mannschaftswettbewerb für unter Zwölfjährige findet vom 27. bis 29. Dezember im Magdeburger Maritim-Hotel statt.

„Unsere Vision ist es, jedem Kind in Magdeburg die Möglichkeit zu geben, von den positiven Aspekten des Schachspiels zu partizipieren“, erklärt Vorstandsmitglied Michael Zeuner. Dazu zähle auch höhere soziale Kompetenz, wie der Umgang mit Niederlagen oder das Trösten des Gegners.