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800 Flüchtlingskinder ohne Eltern im Land

Sie kommen auf gefährlichen Wegen nach Deutschland, ganz ohne Eltern und Familie. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind für die Jugendämter eine große Herausforderung.

Von Dörthe Hein, dpa 19.12.2015, 09:36

Magdeburg (dpa/sa) - Die Zahl der Flüchtlingskinder ohne Familie in Sachsen-Anhalt ist deutlich gestiegen. Mitte Dezember lebten hier mehr als 800 Minderjährige, wie das Sozialministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in Magdeburg mitteilte. Zum Jahresende 2014 waren es noch rund 80 gewesen. Um die Kinder und Jugendlichen, die ohne Eltern nach Deutschland gekommen sind, kümmern sich die Jugendämter im Land.

Besonders viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gab es im Landkreis Harz (278) sowie im Landkreis Stendal (150). Dort sind die Zentrale Anlaufstelle und die Landesaufnahmeeinrichtung in Klietz. In beiden Landkreisen habe es zeitweilig Engpässe bei der Unterbringung gegeben.

Ein landesweites Verteilverfahren und mehr Kapazitäten in anderen Kreisen haben zur Entspannung beigetragen, teilte das Ministerium weiter mit. In Halle lebten Mitte Dezember 92 und in Magdeburg 53 Kinder und Jugendliche. Die unbegleiteten Flüchtlingskinder kommen überwiegend aus Syrien und Afghanistan, aber auch aus dem Irak, Pakistan, Somalia, Algerien und weiteren afrikanischen Staaten.

Ganz überwiegend sind die minderjährigen männlichen Flüchtlinge zwischen 15 und 17 Jahren alt. Geschätzte 20 Prozent seien im Alter zwischen 11 und 14. Jüngere Kinder seien eher selten. Mädchen seien eher selten bei den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen.

Sachsen-Anhalt ist verpflichtet, wie bei Flüchtlingszahlen insgesamt, rund 2,83 Prozent der Ankommenden aufzunehmen - für die Kinder und Jugendlichen gilt das seit dem 1. November dieses Jahres. Mit der stark steigenden Zahl umzugehen, ist für die Jugendämter nicht einfach. So werden Paten-Familien gesucht.

Das ist laut Sozialministerium aber schwierig, denn viele ältere Jugendliche hätten traumatisierende Erfahrungen gemacht. Wer sie begleiten wolle, sollte sich möglichst mit der anderen Kultur auskennen und auch spezielle Fremdsprachenkenntnisse haben.

Der Landkreis Harz etwa, der mit über 270 besonders viele minderjährige Flüchtlinge betreut, hatte im Jahr zuvor noch 21 Flüchtlingskinder in seiner Obhut. Ausreichend Betreuer für die Minderjährigen gibt es laut Landkreis Harz nicht. Die freien Träger der Jugendhilfe, die Wohnmöglichkeiten schaffen, hätten teilweise mitgeteilt, dass sie Probleme bei der Besetzung von Stellen haben.

Der Kreis braucht aus eigener Sicht dringend noch weitere Mitarbeiter und hofft, dass das Land die Kosten erstattet. 2015 seien allein im Jugendamt zusätzliche 9,5 Stellen für Sozialpädagogen und Verwaltungsfachkräfte besetzt worden.

Viele Sachsen-Anhalter sind den Angaben des Sozialministeriums zufolge bereit, die Vormundschaft für eines dieser Kinder und Jugendlichen zu übernehmen. Rund 460 potenzielle Vormünder hätten sich bisher gemeldet. Ende November und Anfang Dezember habe es zentrale Informationsveranstaltungen in Dessau-Roßlau, Halle und Magdeburg gegeben. Die Jugendämter können die entsprechenden Verfahren einleiten, mit denen geprüft wird, ob die interessierten Bewerber auch geeignet sind.

Infos Landesstelle für die Verteilung der unbegleiteten ausländischen Kinder und Jugendlichen