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Bronzeschatz: Mutmaßlicher Raubgräber vor Gericht

Raubgräber schaden der Allgemeinheit, weil sie das kulturelle Gedächtnis zerstören. Aber es ist schwer, ihrer habhaft zu werden. Jetzt wird vor dem Amtsgericht Merseburg die Unterschlagung eines 3100 Jahre alten Bronzeschatzes verhandelt.

Von Thomas Schöne, dpa 20.09.2020, 07:56

Merseburg/Halle (dpa/sa) - Wegen Unterschlagung eines 3100 Jahre alten Bronzeschatzes muss sich von Dienstag an ein Mann aus Querfurt (Saalekreis) vor dem Amtsgericht Merseburg verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Unterschlagung von Artefakten vor. Es handelt sich um eine Bronzetasse, in der drei bronzene Anhänger sowie 94 kleine Beschläge und Gürtelschnallen aus Bronze lagen. Die Stücke wurden Mitte September 2018 auf einer Internetplattform zum Kauf angeboten. Ein ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger wurde darauf aufmerksam und benachrichtigte das Landesmuseum.

In seiner polizeilichen Vernehmung hatte der Angeklagte eingeräumt, die Stücke gefunden zu haben, aber nicht in Sachsen-Anhalt, sondern in Bayern, teilte ein Sprecher des Amtsgerichtes Merseburg mit. Während in Sachsen-Anhalt das Schatzregal gilt, wonach archäologisch wertvolle Funde dem Land gehören und somit entschädigungslos abgegeben werden müssen, können in Bayern die Stücke gehandelt werden. Der Gewinn wird dort zwischen Finder und Grundstückseigentümer geteilt.

Sollte sich die Aussage bewahrheiten, so die Strategie der Verteidigung, wäre der Vorwurf der Fundunterschlagung haltlos. Allerdings habe der Mann bislang nicht verraten, wo er die Stücke in Bayern entdeckte, das muss die Hauptverhandlung klären, sagte der Gerichtssprecher.

Nach derzeitigem Ermittlungsstand hat der Mann die Stücke allerdings höchstwahrscheinlich im Bereich des südlichen Saalekreises mit einem Metalldetektor geortet und ausgegraben. Um zu beweisen, dass der Schatz von hier stammt, wurde laut Staatsanwaltschaft ein Bodengutachten erstellt. Mit Sicherheit wird die Analyse im Prozess eine Rolle spielen.

Die "Fundortverlagerung" von archäologischen Funden ist den Angaben nach bei sogenannten Sondengängern ein beliebtes Mittel, um straffrei zu bleiben. Außerdem führt man so auch die Konkurrenz der Raubgräber in die Irre. So war es auch im Prozess um die über 3600 Jahre alte "Himmelsscheibe von Nebra" vor über 15 Jahren. Der Schatz wurde 1999 von Raubgräbern mit Metallsuchgeräten entdeckt. Erst 2002 stellte die Schweizer Polizei die Bronzescheibe in einem Hotel sicher. Sie gehört heute zum Unesco-Weltdokumentenerbe und gilt als die älteste bisher bekannte konkrete Darstellung des Kosmos.

Die buckelverzierte Bronzetasse wurde nach Angaben des Landesmuseums samt Inhalt als Opfer an die Götter im Boden vergraben. "Beschläge und Anhänger gehörten zu einem Pferdegeschirr, das Leder ist natürlich nicht mehr vorhanden", sagte Landesarchäologe Harald Meller. Bei der Tasse handele es sich um den Typ "Fuchsstadt".

Dem mutmaßlichen Schatzsucher droht bei einer Verurteilung wegen Unterschlagung eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.