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Debatte zu Halle: Haseloff verurteilt Antisemitismus

Was sind die Lehren aus dem Anschlag von Halle? Bei einer Debatte im Landtag zum Thema warnt Ministerpräsident Haseloff vor der Gefahr des Rechtsextremismus. Auch die Regierungsfraktionen und die Linken warnen. Scharf kritisiert wird die Magdeburger Bereitschaftspolizei.

15.10.2020, 13:49

Magdeburg (dpa/sa) - In einer Landtagsdebatte zum ersten Jahresgedenken an den Anschlag von Halle hat Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) vor den Gefahren von Rechtsextremismus und einem latentem Antisemitismus in Deutschland gewarnt. Auch Redner der Fraktionen von CDU, Linken, SPD und Grünen verurteilten erneut die rechte Gewalt des Attentäters. Wortbeiträge der AfD zum Thema sorgten für Fassungslosigkeit.

Haseloff mahnte die Abgeordneten in seiner Rede, die Gefährdung durch rechte Gewalt ernst zu nehmen. "Allen muss klar geworden sein, welche Gefahren vom Rechtsextremismus ausgehen", sagte Haseloff. "Wir müssen alle gemeinsam für ein offenes Klima der Toleranz und gegenseitigen Achtung sorgen." Der Anschlag dürfe nicht als singuläres Ereignis verharmlost werden.

Der Antisemitismus sei auch nach 1945 nicht aus Deutschland verschwunden. "Nichts kommt aus dem Nichts", sagte Haseloff. "Hitler war kein Betriebsunfall. Was einmal möglich war und geschehen ist, bleibt denkbar", warnte der Regierungschef. Auch andere Redner betonten die Kontinuität von Rechtsextremismus und Antisemitismus in Deutschland. Jahrhunderte des Judenhasses ließen sich nicht einfach wegwischen, sagte Grünen-Innenexperte Sebastian Striegel. Der Rechtsextremismus ziehe "eine Blutspur durch die Geschichte der Bundesrepublik".

Auch die designierte Linken-Spitzenkandidatin Eva von Angern sagte, der Anschlag sei das Resultat einer immer weiter nach rechts driftenden Gesellschaft. "Es war eben kein Einzeltäter und es war kein Einzelfall", sagte die Abgeordnete mit Blick auf die Online-Kontakte des Attentäters in die rechte Szene und den ungeklärten Anteil seines persönlichen Umfelds an der Tat.

Empört reagierten die vier Fraktionen auf die Wortbeiträge der AfD zu dem Thema. Der Abgeordnete Hans-Thomas Tillschneider, ein Rechtsaußen der Partei, bestritt den politischen Hintergrund der Tat und behauptete, dass hellhäutige Menschen in Deutschland diskriminiert würden. Das hatte auch der Angeklagte im Prozess zum Terroranschlag von Halle behauptet. Fraktionsgeschäftsführer Robert Farle beklagte zudem, dass sich der Kampf gegen Rechts immer gegen die AfD richte.

Am 9. Oktober 2019 hatte ein schwer bewaffneter Mann versucht, die Synagoge von Halle zu stürmen, um dort am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur ein Massaker anzurichten. Nachdem er nicht in das Gotteshaus gelangte, erschoss er eine 40 Jahre alte Passantin und kurz darauf einen 20-Jährigen in einem Döner-Imbiss. Der 28 Jahre alte Deutsche Stephan Balliet hat die Taten gestanden und mit antisemitischen und rassistischen Verschwörungstheorien begründet und steht wegen der Taten vor Gericht. Der Prozess läuft seit Ende Juli vor dem Oberlandesgericht Naumburg, findet aus Platzgründen aber in Magdeburg statt.

Haseloff zeigte sich zudem schockiert über die Anfang der Woche bekannt gewordenen antisemitischen Vorfälle in den Reihen der Magdeburger Bereitschaftspolizei. Ähnlich äußerten sich Redner der Regierungsfraktionen und der Linken. "Ich bin entsetzt über die Vorgänge", sagte der Ministerpräsident. In der Bereitschaftspolizei sollen seit Jahren antisemitistische Aussagen über einen Imbiss gefallen sein. Auch CDU-Sozialexperte Tobias Krull distanzierte sich klar davon. Antisemitistische Positionen seien vor allem im Sicherheitsapparat inakzeptabel, sagte Krull.

Redner von CDU, Linken, SPD und Grünen würdigten ausdrücklich das zivilgesellschaftliche Engagement beim Gedenken an Halle und dem Kampf gegen Rechts. Ohne die zahlreichen Vereine und Bündnisse "sähe Sachsen-Anhalt ganz schön alt aus", sagte SPD-Fraktionschefin Katja Pähle. Die Sozialdemokratin forderte, die Schlüsse, die die Politik aus dem Anschlag gezogen hat, konsequent umzusetzen. "Wir können es nicht verantworten, dass sich die Vorsätze von heute in der nächsten Wahlperiode als Sonntagsreden erweisen."