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Einsamkeit, Zukunftsängste: Telefonseelsorge stark gefragt

Das Alleinsein im Lockdown, die Sorge vor dem Jobverlust - Corona zeigt sich auch bei der Telefonseelsorge. Dabei verstärkt die Pandemie oft ohnehin schon bestehende Sorgen.

28.01.2021, 06:08
Patrick Pleul
Patrick Pleul dpa-Zentralbild

Magdeburg (dpa/sa) - Die Nachfrage nach Angeboten der Telefonseelsorge in Sachsen-Anhalt ist im ersten Jahr der Corona-Pandemie deutlich gestiegen. Das Virus sei dabei häufig mindestens ein Begleitthema gewesen, sagte Anette Carstens, Leiterin der Telefonseelsorge in Magdeburg. Gerade im zweiten Lockdown seit Herbst werde aber nicht mehr so häufig über das Thema Corona gesprochen. Das bedeute jedoch nicht, dass die Situation leichter werde. "Die Menschen haben ihre ganz normalen Lebensprobleme wie immer", sagte Carstens. "Probleme wie Einsamkeit, Trennung oder Sucht werden durch die Pandemie zusätzlich verstärkt."

Etwa 30 Gespräche pro Tag führen die Ehrenamtlichen der Telefonseelsorge in Halle momentan. Einen besonders starken Zuwachs hatte es auch dort im Frühjahr gegeben, sagte die Leiterin Dorothee Herfurth-Rogge. Etwa 40 Prozent mehr Anrufe gingen während des ersten Lockdowns ein. "Entsprechend der gesellschaftlichen Entwicklung hat sich die Lage zum Sommer hin normalisiert", sagte Herfurth-Rogge. Ab September sei die Zahl der Anrufe wieder gestiegen - allerdings nicht so stark wie im Frühjahr.

Ihrer Erfahrung nach sei Corona oft der Anlass für die Sorgen - daraus würden dann viele Folgethemen resultieren. "Wer einsam ist, ist während des Lockdowns noch einsamer. Wer ohnehin schon leidet, leidet jetzt besonders stark", sagte Herfurth-Rogge. Die Pandemie löse bei vielen Menschen große Ängste aus, beispielsweise vor der Zukunft oder um die eigene Existenz. Nur wer psychisch sehr stabil sei, könne diese Belastung wegstecken.

Der Bedarf zeigt sich grundsätzlich in allen Altersgruppen. In Magdeburg seien die meisten Anrufer zwischen Ende 40 und Anfang 60, hieß es dort. Bei jüngeren Menschen sei die Mail- und Chatberatung beliebter, sagte die Leiterin Carstens. Hier habe es eine deutlich höhere Nachfrage gegeben - vor allem während der Weihnachtsfeiertage. Ähnlich ist es in Halle: Ein Großteil der Anrufer sei zwischen 35 und 59 Jahren alt. "Es ist die Generation, die am meisten ertragen muss", sagte Herfurth-Rogge. Da spielten unter anderem Sorgen um Kinder oder Eltern, die versorgt werden müssen, eine Rolle. Auch Arbeit oder eben keine Arbeit könne eine Belastung sein.

Abgefedert werden diese Sorgen auch durch die Belegschaft der Telefonseelsorgen. Etwa 90 Ehrenamtliche arbeiten in Halle, 70 in Magdeburg. Ausgebildet werden Neuzugänge zur Zeit komplett online. Weniger Freiwillige gebe es in beiden Einrichtungen trotz der Corona-Pandemie nicht. Im Gegensatz: Viele seien froh über eine gute, sinnstiftende Aufgabe, so Herfurth-Rogge.

© dpa-infocom, dpa:210128-99-201212/3

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