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"Gruppendynamisch eskaliert": Frau zu Tode gequält, Urteil

Eine Frau wird im Sommer 2018 in Bernburg von vier Bekannten grausam misshandelt und gequält. Kurz danach stirbt sie. Nun hat ein Gericht das Quartett verurteilt.

Von Sabrina Gorges, dpa 12.04.2019, 15:24
Zu Tode gefolterte Frau in Bernburg: Urteile im Prozess erwartet. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/Archiv
Zu Tode gefolterte Frau in Bernburg: Urteile im Prozess erwartet. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/Archiv ZB

Magdeburg (dpa/sa) - Weil sie eine Frau zu Tode misshandelt haben, sollen vier Angeklagte, darunter ein 17-Jähriger und dessen Mutter, für lange Zeit hinter Gitter. Das Landgericht in Magdeburg sprach das deutsche Quartett am Freitag schuldig, die 39-Jährige im Juni 2018 so massiv gequält und verletzt zu haben, dass sie kurz darauf starb.

Die Kammer um die Vorsitzende Richterin Anne-Marie Seydell verhängte Haftstrafen zwischen vier und achteinhalb Jahren, sah aber für den ursprünglich angeklagten Mordvorwurf keine Beweise. "Das Geschehen ist gruppendynamisch eskaliert", hieß es in der Urteilsbegründung. "Alle waren aufgrund von Alkohol zwar enthemmt, aber immer steuerungs- und einsichtsfähig", sagte Seydell. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig, eine Revision ist möglich.

Laut Urteil hatten die Vier die Deutsche in einer Wohnung in Bernburg (Salzlandkreis) während eines Streits um Geld gemeinsam angegriffen. Seydell zufolge ist es erwiesen, dass sie der Bekannten gegen den Kopf getreten, mit einem Fleischklopfer auf die Finger geschlagen und ihren Kopf in ein Toilettenbecken und in eine mit Wasser gefüllte Badewanne gedrückt haben. Außerdem rasierten sie ihr den Kopf kahl und verletzten sie mit einem Messer.

Der zur Tatzeit 16-Jährige bekam mit achteinhalb Jahren Haft die höchste Strafe. Er hatte Teile der Folter mit dem Handy gefilmt. Der gut anderthalb minütige Mitschnitt zeigt Szenen in einem Badezimmer. Immer wieder verleiht das Opfer unter dem Gejohle der Täter seinen Ängsten und Schmerzen Ausdruck.

Weil der Jugendliche kurz vor der tödlichen Attacke einen Bekannten in einer anderen Wohnung geschlagen, getreten und lebensgefährlich verletzt hatte, verurteilte ihn die Kammer wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen - einer davon in Tateinheit mit versuchtem Totschlag. Außerdem war der junge Mann auf Bewährung.

Seine heute 35 Jahre alte Mutter muss wegen Körperverletzung mit Todesfolge für siebeneinhalb Jahre in Haft. "Sie haben das in weiten Teilen an Foltermethoden erinnernde Geschehen in Gang gebracht", sagte die Richterin zu der Frau, der sie ein "impulsives Wesen" bescheinigte. Außerdem habe sie gewusst, dass ihr Sohn unberechenbar und gefährlich ist.

Zwei 20 und 21 Jahre alte Männer wurden laut Gericht der gefährlichen Körperverletzung schuldig gesproche. Sie müssen für vier beziehungsweise sechs Jahre in Haft. Beide müssen außerdem eine Entziehungs-Therapie machen. Alle sind strafrechtlich bereits in Erscheinung getreten.

"Sie haben sich gegenseitig psychisch unterstützt, sich Raum gegeben und die Tat im Ganzen gefördert", sagte die Richterin. "Sie haben bewusst gewollt gequält." Es habe das Motto "Jeder darf mal" geherrscht. Und Seydell führte aus: "Hätte man ein Drehbuch mit ihren Taten vorgelegt, wäre es wahrscheinlich als zu unrealistisch abgelehnt worden. Aber es hat sich gezeigt, dass das vermeintlich Abgefahrene durchaus Realität werden kann."

Die rechtliche Einordnung habe sich als schwierig erwiesen, sagte die Vorsitzende, die das Urteil fast eine Stunde lang begründete. "Es war auch von den Sachverständigen nicht genau auszumachen, welche Handlungen gegen den Kopf des Opfers einzeln oder im Zusammenspiel zum Tod geführt haben." Am 12. Juni, einen Tag nach der Attacke, starb das Opfer in einem Krankenhaus in Halle an einem Hirnödem.