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Justizbeamte verweigern Befragung zu Fall Jalloh

Die Richter und Staatsanwälte aus den Prozessen zum Tod Oury Jallohs wollen sich nicht von Beratern des Rechtsausschusses befragen lassen. Die Linke spricht von einem unwürdigen Vorgang. Die CDU greift hingegen einen der Berater an.

09.07.2020, 16:04

Magdeburg (dpa/sa) - Im Streit um die Aufklärung des Todes von Oury Jalloh vor 15 Jahren haben Richter und Staatsanwälte die geplante Befragung von Justizbeamten scharf kritisiert. Der Bund der Richter und Staatsanwälte in Sachsen Anhalt nannte das vor zwei Jahren vereinbarte Verfahren am Donnerstag einen "eklatanten Eingriff in die grundgesetzlich geschützte richterliche Unabhängigkeit" und bezeichneten den Plan als "als eine Überschreitung seiner durch den Grundsatz der Gewaltenteilung verfassungsrechtlich gesetzten Grenze". Zuvor hatten sieben in den Fall involvierte Richter und Staatsanwälte eine Befragung im Rechtsausschuss verweigert.

Oury Jalloh war im Januar 2005 an Händen und Füßen gefesselt in einer Dessauer Polizeizelle ums Leben gekommen, sein Körper wies schwere Verbrennungen auf. Die genauen Umstände des Todes konnten auch in zwei Gerichtsverfahren nicht geklärt werden. Seit zwei Jahren untersuchen zwei externe Berater für den Rechtsausschuss die juristische Aufarbeitung des ungeklärten Todesfalls Jalloh. Im Rahmen dieser Aufarbeitung sollten sie auch beteiligte Richter und Staatsanwälte befragen.

Das lehnte das Justizministerium vorige Woche ab. Die Vorgesetzten der Richter und Staatsanwälte hätten das aus verfassungsrechtlichen Bedenken abgelehnt, begründete Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU). Linke, SPD und Grüne warfen dem Justizministerium daraufhin vor, die Aufklärung des Falles zu behindern. Am Mittwoch hatten die Obleute des Rechtsausschusses dann vereinbart, die Befragung nicht unter vier Augen, sondern im Rechtsausschuss durchzuführen. Da wollen nun die sieben Richter und Staatsanwälte, von denen inzwischen fünf im Ruhestand sind, nicht mitmachen.

Das Justizministerium kündigte am Donnerstag an, sich weiter für die Befragung einzusetzen. "Wir prüfen derzeit Wege, inwieweit auch pensionierte Beamte verpflichtet werden können, an einer Sitzung des Rechtsausschusses teilzunehmen", sagte ein Sprecher des Ministeriums der Deutschen Presse-Agentur. Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) war in Folge der Ablehnung Anfang der Woche in die Kritik geraten, auch von den Koalitionspartnern SPD und Grüne. Keding hatte daraufhin versichert, sich für die Aufklärung einzusetzen.

Die Linke sprach nach der Absage der Befragung von einem absolut unwürdigen Umgang. "Für die Arbeit der Sachverständigen im Fall Oury Jalloh sind jene sieben Richter und Staatsanwälte Schlüsselpersonen", teilten die rechtspolitische Sprecherin Eva von Angern und die innenpolitische Sprecherin Henriette Quade der Linken am Donnerstag mit. "Die fehlende Mitwirkung ihrerseits führt zwangsläufig dazu, dass der Bericht der Sachverständigen Fragen offen lässt und nicht die Aufklärung leisten kann, die der Öffentlichkeit und vor allem den Hinterbliebenen versprochen wurde."

Die Kritik, die der Richterbund äußerte, habe bis heute niemand geäußert, so die beiden Linken-Politikerinnen. Es werde nun deutlich, "dass das Scheitern der Aufklärung durch Sachverständige kalkuliert ist und vor den Augen der Öffentlichkeit mit einer Kaltschnäuzigkeit geschieht, die ihres Gleichen sucht."

Neben der Linken hatten auch die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen gefordert, den beiden Beratern die Aufklärung zu ermöglichen. Die beiden Juniorpartner der CDU müssten sich nun fragen lassen, ob sie das Verfahren jetzt so hinnehmen wollen. "Wer zwar empört ist, aber nichts ändert, trägt Mitverantwortung dafür, dass Aufklärung und Aufarbeitung nach wie vor ausbleiben", so Quade und von Angern.

Unterstützung bekamen die Richter und Staatsanwälte hingegen aus der CDU-Fraktion. Ihr Mitglied Jens Kolze griff stattdessen den Berater des Rechtsausschusses, den früheren Rechtsexperten der Grünen im Bundestag, Jerzy Montag, an. "Wir werden uns nicht daran beteiligen, Richter und Staatsanwälte aus Sachsen-Anhalt durch Befragungen im Ausschuss in eine Situation zu bringen, in der sie sich in ihrer richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt sehen", sagte Kolze. Die Fraktion werde die weitere Ausschussbefassungen aber "konstruktiv begleiten".