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Klingbeil plant Krisentreffen nach Angriff auf Bürgerbüro

Die Bestürzung nach dem Angriff auf das Büro eines SPD-Abgeordneten in Sachsen-Anhalt ist groß. SPD-Generalsekretär Klingbeil lädt nun zu einem hochrangigen Krisentreffen ein - um über Strategien für einen besseren Schutz von Politikern zu beraten.

17.01.2020, 15:49

Berlin (dpa) - Nach Schüssen auf das Büro des SPD-Abgeordneten Karamba Diaby planen die Sozialdemokraten ein hochrangiges Krisentreffen für mehr Schutz für Politiker. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil habe dazu die Generalsekretäre oder Bundesgeschäftsführer aller Bundestagsparteien mit Ausnahme der AfD angeschrieben, berichtete das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag). Er wolle "sehr zeitnah" darüber beraten, wie sich gerade ehrenamtliche Politiker besser schützen könnten, heißt es demnach in dem an Linda Teuteberg (FDP), Paul Ziemiak (CDU), Markus Blume (CSU), Michael Kellner (Grüne) und Jörg Schindler (Linke) adressierten Schreiben.

Am Mittwoch waren an einer Scheibe des Bürgerbüros Diabys im sachsen-anhaltischen Halle mehrere Einschusslöcher festgestellt worden. Der Angriff auf das Büro des im Senegal geborenen, schwarzen Diaby hatte Bestürzung ausgelöst. Verletzt wurde niemand. Von dem oder den Tätern fehlt bislang jede Spur.

In dem Schreiben Klingbeils heißt es, es müsse beraten werden, "welche gemeinsamen politischen und gesellschaftlichen Initiativen es braucht, um der Verrohung und dem offenen Hass gegen diejenigen, die Verantwortung übernehmen, offensiv entgegen zu treten". Der Anschlag gegen das Bürgerbüro Diabys stehe in einer langen Reihe von zunehmender Gewalt und Drohungen gegen Politiker demokratischer Parteien, die man nicht dulden könne und dürfe. "Das oberste Ziel muss dabei sein, dass wir diejenigen schützen, die Verantwortung für unsere Demokratie übernehmen."

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich forderte eine Verschärfung des Strafrechts für Drohungen im Netz. "Wer sich für die Gesellschaft engagiert und deswegen bedroht wird, muss von den Behörden zudem den Schutz bekommen, den er benötigt", sagte er der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" (Samstag). Eine Mitschuld für die Entwicklung sieht er bei der AfD. "Wer in der politischen Debatte zu Verunglimpfung und Herabwürdigung greift, treibt eine solche Entwicklung an." Es gebe inzwischen ein System des Hasses, zu dem die AfD beitrage.

Diaby soll am Samstag mit dem Integrationspreis der Europäischen Gesellschaft für Politik, Kultur, Soziales, "Diaphania" in Heilbronn, ausgezeichnet werden. Der Politiker habe aufgrund seiner Hautfarbe in Deutschland Ablehnung, Ausgrenzung, Anfeindungen und Angriffe erfahren, teilte die Europäische Gesellschaft mit. Dennoch habe er sich für den sozialen Frieden und die Integration in Deutschland unaufhörlich eingesetzt. Der Integrationspreis der Europäischen Gesellschaft wird nach deren Angaben seit 2003 verliehen.

Derweil nahm der Bürgermeister von Kamp-Lintfort in Nordrhein-Westfalen seine Klage auf Erteilung eines Waffenscheins zurück. Das bestätigte das Düsseldorfer Verwaltungsgericht am Freitag. Das Verfahren sei daraufhin eingestellt worden, der Verhandlungstermin am 21. Januar sei aufgehoben. Der SPD-Politiker Christoph Landscheidt hatte am Donnerstagabend mitgeteilt, er verspreche sich von seinem Schritt eine Versachlichung der Diskussion. Zuvor hatte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) erklärt, Landscheidt erhalte nun doch Personenschutz. Eine neue Prüfung habe ergeben, dass er gefährdet sei.

Den großen Waffenschein hatte der Politiker beantragt, um Angriffen aus der rechten Szene gegen sich und seine Familie nicht schutzlos ausgeliefert zu sein. Als der Antrag von der zuständigen Polizeibehörde abgelehnt worden war, hatte Landscheidt, selbst ehemaliger Richter, geklagt. Landscheidt erhielt Solidaritätsbekundungen quer durch die demokratischen Parteien. Landscheidt kündigte zugleich an, er wolle erneut als Bürgermeister kandidieren.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Sprecherin für Verteidigungspolitik und Kommunalpolitik der FDP-Bundestagsfraktion, mahnte angesichts der Anfeindungen von Politikern zur Mäßigung. Dem Nachrichtenportal "t-online.de" sagte sie: "Es gibt deutlich mehr Anfeindungen gegenüber Politikern als noch vor Jahren. Die Hemmschwelle ist gesunken. Wir sollten dieses Phänomen sehr ernst nehmen, aber medial nicht aufblasen. Das schafft nur Nachahmer." Trotz der gegenwärtigen Angriffe dürfe es "für Kommunalpolitiker keine Erlaubnis geben, Waffen zu tragen. Wir sind nicht im Wilden Westen."