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Langzeitarbeitslose in Corona-Krise nicht vergessen

Jeder Dritte ist in Sachsen-Anhalt länger als ein Jahr ohne Job. Arbeitgeber könnten das ändern. Die Gewerkschaft sieht vor nicht genutzten Kompetenzen.

12.07.2020, 08:45

Halle/Magdeburg (dpa/sa) - Auch in der Corona-Krise dürfen Menschen, die jahrelang ohne Job und Aussicht auf Vermittlung sind, laut Experten nicht ins Abseits gedrängt werden. "Arbeit ist nicht nur der reine Broterwerb. Wer keine Beschäftigung hat, der leidet häufig unter fehlender Anerkennung und Isolation. Oft ist davon auch die ganze Familie betroffen", erklärte Markus Behrens, Geschäftsführer der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit, in Halle.

Behrens appellierte an die Arbeitgeber, das vom Bund 2019 beschlossene Teilhabechancengesetz stärker zu nutzen. Dazu gehört der sogenannte soziale Arbeitsmarkt. In rund 1800 Fällen (Stand März 2020) sei dies bisher in Sachsen-Anhalt geschehen.

Dabei handele es sich zunächst oft um hauswirtschaftliche oder einfache handwerkliche Tätigkeiten. Nach Ansicht von Arbeitsmarktexperten hätten Menschen aber ohne diese Möglichkeiten, mit einem anfangs 100-prozentigen Lohnkostenzuschuss für Arbeitgeber, kaum Chancen auf eine Beschäftigung. Dazu gehören Langzeitarbeitslose mit geringer Qualifikation, ohne Berufsausbildung, mit gesundheitlichen Einschränkungen, Ältere oder auch Familien und Alleinerziehende mit langer Erwerbslosigkeit.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in Sachsen-Anhalt sieht angesichts des Fachkräftebedarfs den sogenannten sozialen Arbeitsmarkt als eine Möglichkeit an, dringend benötigte Arbeitskräfte zu gewinnen. "Denn nur weil jemand lange arbeitslos war, heißt das ja nicht, dass er nichts gelernt hat", sagte DGB-Landeschefin Susanne Wiedemeyer in Magdeburg. Dies gelte vor allem für ältere Arbeitslose. Sie hätten Berufs- und Lebenserfahrung. Arbeitgeber sollten diese menschlichen und fachlichen Kompetenzen mehr nutzen.

Hintergrund des Arbeitskräftebedarfs ist die Entwicklung der Bevölkerung. Das Land ist laut bisherigen Prognosen zur Demografie bundesweit mit am stärksten davon betroffen, dass es zu wenig junge Menschen und dafür mehr ältere Menschen hat. In Sachsen-Anhalt waren im Juni insgesamt rund 90 600 Menschen arbeitslos gemeldet, davon waren rund 32 000 Menschen oder etwa jeder Dritte länger als ein Jahr ohne Job. Die Arbeitslosenquote lag bei 8,1 Prozent (Deutschland: 6,2 Prozent).

Behrens verwies auf die Entwicklung von Hilfen am Arbeitsmarkt. "Früher war es mit den gängigen Fördermöglichkeiten oft so, dass wir Beschäftigung von langzeitarbeitslosen Menschen nur bei sozialen Beschäftigungsträgern - zeitlich begrenzt - fördern konnten", erklärte er. Im Vergleich dazu biete das Teilhabechancengesetz den Jobcentern nun die Möglichkeit, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren und damit langfristig anzuschieben. Währenddessen werden die Menschen, die lange aus dem Berufsalltag waren, außerdem auch mit den konkreten Arbeitsabläufe direkt vertraut gemacht.

Die Förderung über den sogenannten sozialen Arbeitsmarkt betrifft den Angaben nach Langzeitarbeitslose, die seit mindestens sechs der vergangenen sieben Jahre - und noch mehr Jahre - Leistungen der Grundsicherung (Hartz IV) erhalten haben. Zudem müssen sie älter als 25 Jahre sein. Ziel sei es, die Menschen wieder in das reale Berufsleben zu integrieren. Ein zweites Instrument des Teilhabechancengesetzes betrifft die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen, die mindestens zwei Jahre arbeitslos waren - für die Dauer von zwei Jahren.

Der Bund stellt für die Umsetzung des Gesetzespakets in Deutschland insgesamt nach bisherigen Angaben bis 2022 rund vier Milliarden Euro zur Verfügung. Ziel sei es, bis zu 150 000 Langzeitarbeitslose mit verschiedenen Maßnahmen zu erreichen, um sie für den Arbeitsmarkt fit zu machen.

Informationen der Bundesagentur für Arbeit zum Teilhabechancengesetz

Die Forderungen des DGB zur Bewältigung der Corona-Krise

Der Arbeitsmarkt in Sachsen-Anhalt im Juni 2020