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Ramelow: Einzeltäter-Debatte verkennt Realität

Der Mordanschlag von Halle beschäftigt weiter die öffentliche Debatte in Deutschland. Einige sprechen von einem Einzeltäter, andere sehen Schuld bei der AfD. Thüringens Regierungschefs Ramelow ist das zu eindimensional.

16.10.2019, 08:52

Erfurt/Halle (dpa) - Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat davor gewarnt, nach dem Terroranschlag vor einer Woche in Halle vor allem eine Einzeltäter- und AfD-Debatte zu führen. "Das ist wie ein Reflex. Seit den NSU-Morden und dem Mord an Kassels Regierungspräsidenten Walter Lübcke ist doch klar, wir haben es mit braunem Terror in Deutschland zu tun", sagte Ramelow im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt.

Es liege ihm fern, die AfD zu verteidigen. Aber sie für den Mordanschlag vor einer Woche in Halle verantwortlich zu machen, sei zu einfach. "Die AfD macht nur sichtbar, was schon da ist. Und sicher ist sie auch ein Stichwortgeber der rechtsextremistischen Szene."

Wissenschaftliche Untersuchungen, wie es sie beispielsweise in Thüringen seit Jahren gebe, sprächen von einem relativ konstanten Anteil von etwa 20 Prozent der Bevölkerung, der sich rechtsextremen Einstellungen gegenüber offen zeige. Es sei jedoch falsch, diese Affinität mit Rechtsradikalität zu übersetzen, sagte Ramelow. Aber: "Das sind Einstellungen, die sind abrufbar, wenn sie bespielt werden. Daraus wachsen Milieus." Und diese Milieus könnten Menschen hervorbringen, wie den Täter von Halle.

Immerhin habe es auch in Halle Warnungen gegeben. "Ich frage mich, warum es sich der Sicherheitsapparat so leicht macht", so Ramelow. "Man muss das Milieu durchforsten." Es gebe eine reale Bedrohung von rechts.

Der Linke-Politiker warf Thüringens AfD-Chef Björn Höcke vor, mit seiner Rhetorik und Forderungen wie der nach einer "erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad" die Grenze einzureißen, die es noch bei der NPD gegeben habe. "Und schlimm ist, die AfD distanziert sich nicht, sie tut so, als hätte sie mit all dem nichts zu tun."

Er halte es dennoch nach Ereignissen wie in Halle für falsch, nur Etiketten auf die zu kleben, die vermeintlich schuld sind. "Dann ist man die eigene Verantwortung los."

Am Mittwoch vor einer Woche hatte ein schwer bewaffneter Deutscher versucht, in die Synagoge in Halle einzudringen, in der rund 50 Gläubige den wichtigsten jüdischen Feiertag Jom Kippur begingen. Als der Plan misslang, erschoss der Täter eine 40 Jahre alte Passantin und einen 20-jährigen Mann in einem Döner-Imbiss. Mehrere Menschen wurden verletzt. Der 27-Jährige hat die Tat gestanden und dabei antisemitische und rechtsextreme Motive eingeräumt. Er ist in Untersuchungshaft.

Generalbundesanwalt zu der Tat in Halle