1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Region verarbeitet Terroranschlag: Debatte über Konsequenzen

Region verarbeitet Terroranschlag: Debatte über Konsequenzen

Nach dem rechtsextremen Terroranschlag in Halle wird weiter über die Konsequenzen der Gewalttat diskutiert. Verwandte eines Todesopfers haben eine emotionale Anzeige geschaltet.

15.10.2019, 16:05

Halle (dpa) - Nach dem rechtsextremen Terroranschlag in Halle am vergangenen Mittwoch geht in der Region die Verarbeitung der Tat weiter. Für die kommenden Tage wurden mehrere Veranstaltungen in Gedenken an die Opfer angekündigt. So soll etwa am Freitag in Merseburg eine Trauerfeier für den in der Dönerbude erschossenen Mann stattfinden, bestätigte die Stadt Merseburg am Dienstag.

Medien aus Sachsen-Anhalt haben ein kostenloses Gedenkkonzert mit Max Giesinger für Samstag in Halle organisiert. Der MDR, Radio Brocken, 89.0 RTL, Radio SAW, der Radiosender Rockland und die Mitteldeutsche Zeitung veranstalten das kostenlose Event unter dem Titel "#HalleZusammen" gemeinsam mit der Stadt Halle. Es soll im Internet übertragen werden.

Auf die Trauerfeier für den in der Dönerbude erschossenen Merseburger hatten zuvor Verwandte des 20-Jährigen aufmerksam gemacht. In einer Traueranzeige in der "Mitteldeutschen Zeitung" schrieben sie: "Eine unfassbare Schreckenstat hat mir meinen Sohn, unseren Enkel, Onkel, Neffen und Freund genommen. Unsere Herzen sind gebrochen".

Der junge Mann war am Mittwoch vergangener Woche in Halle von einem schwer bewaffneten Rechtsextremisten erschossen worden. Zuvor hatte der Täter versucht, in eine mit mehr als 50 Gläubigen besetzte Synagoge einzudringen. Als das scheiterte, erschoss er eine Passantin und kurz darauf den Merseburger in dem nahen Dönerladen. Der 27-Jährige gestand am Freitag die Bluttat und bestätigte ein rechtsextremistisches, antisemitisches Motiv.

Nach dem Terroranschlag wird auch gegen den Polizisten ermittelt, der auf den Täter geschossen und ihn am Hals getroffen hat. Das sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Halle auf Anfrage. Ein solches Ermittlungsverfahren werde grundsätzlich eingeleitet, wenn ein Beamter im Dienst von seiner Schusswaffe Gebrauch gemacht habe.

In der Debatte um den Polizeieinsatz hat Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) die Sicherheitskräfte gelobt. "Die Polizei hat aus meiner Sicht verantwortungsvoll gehandelt und in dieser Extremsituation alles richtig gemacht", sagte er. Zuvor hatte es unterschiedliche Aussagen zu früheren Schutzmaßnahmen für die Synagoge gegeben.

Es sei unzutreffend, dass die Polizei den Bitten der Jüdischen Gemeinde in der Vergangenheit stets nachgekommen sei, erklärte etwa der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster am Wochenende. Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) sagte, er könne nachweisen, dass man keine Bitte um Schutz ausgeschlagen habe. Stahlknecht will sich so schnell wie möglich mit der Jüdischen Gemeinde treffen, um sich über die unterschiedlichen Einschätzungen zu unterhalten.

Wiegand sagte: "Der Terroranschlag hätte in jeder anderen Stadt stattfinden können." Er kündigte an, den Kampf gegen Judenhass in der Stadt zur Chefsache zu machen.

Als Zeichen gegen rechte Gewalt hat der Brandenburger Aktionskünstler Rainer Opolka am Dienstag für einen Tag große Wolfsplastiken vor der Synagoge in Halle aufgestellt. Die etwa zwei Meter großen Figuren mahnten bedrohlich wirkend, zwei hatten Waffen in der Hand. Auf einem Transparent stand: "Wo gehetzt wird, wird später auch getreten."

In Sachsen-Anhalt und in Deutschland wird auch weiter über die Konsequenzen der Tat gesprochen. Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt wollen rechte Hetzer und Extremisten mit mehr Personal und neuen Methoden unter Druck setzen. Dazu gehören etwa eine stärkere Beobachtung im Internet, weitere Vereinsverbote und Maßnahmen gegen Kampfsport-Festivals und Rechtsrock-Konzerte.

"Man muss sich natürlich fragen, was sind die Wurzeln, was sind die Ursachen solcher rechtsextremer Ideologie, Antisemitismus, woher kommt das?", sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang. Auch Gruppierungen wie etwa die Identitäre Bewegung von denen "die ideologischen Vorgaben" für Menschen wie den Attentäter von Halle kämen spielten eine Rolle. Deren Anhänger haben in Halle ein Haus, das als Zentrum in Deutschland gilt.

Unterdessen haben sich die Grünen in Sachsen-Anhalt gegen Pläne von Landesinnenminister Stahlknecht ausgesprochen, die Kompetenzen der Sicherheitsbehörden bei der Telefonüberwachung auszuweiten. Es könne nach dem Anschlag von Halle nicht darum gehen, neue technische Möglichkeiten zu schaffen, sagte der Innenexperte Sebastian Striegel. Stattdessen müssten die Analysen im Vorfeld verbessert werden. Die CDU regiert in Sachsen-Anhalt mit SPD und Grünen.