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Tierschutzbeauftragter warnt vor Überschätzung von Videos

Gerichte haben jüngst Tierschützer gestärkt, die für heimlich Videos in Ställe eindringen. Auch der Tierschutzbeauftragte des Landes hält solche Aufnahmen oft für nötig. Er sieht aber auch Probleme.

06.06.2018, 06:50

Magdeburg (dpa/sa) - Heimlich in Ställen gedrehte Videos von Tierschützern können aus Sicht von Sachsen-Anhalts Tierschutzbeauftragtem Marco König einen positiven Effekt haben. "Es ist schade, dass es solcher Mittel bedarf und man kann das eigentlich nicht gutheißen - aber aus Sicht des Tierwohls haben sie ihre Berechtigung", sagte König der Deutschen Presse-Agentur. Bei der Bewertung solcher Videos müsse man jedoch aufpassen: häufig seien die Aufnahmen zwar nicht schön, die Haltebedingungen verstießen aber nicht gegen geltendes Recht. Verbraucher hätten häufig falsche Vorstellungen von der Nutztierhaltung.

Zuletzt war der Fall einer Geflügelzucht im Saalekreis bekannt geworden. Tierschützer kritisierten katastrophale Zustände, bei einer anschließenden Kontrolle stellten die Behörden jedoch keine Verstöße fest. Eierproduktion in Bodenhaltung könne wie im vorliegenden Fall auch bedeuten, dass Hühner in drei Etagen übereinander gehalten würden, sagte König. Es sei gut, wenn durch Filmaufnahmen gezeigt werde, wie die Realität in den Stellen wirklich aussehe. Verbraucher könnten dann bewusster entscheiden, welche Produkte sie kauften.

In einem vieldiskutierten Urteil hatte das Oberlandesgericht in Naumburg Tierschützer freigesprochen, die für Filmaufnahmen in eine Schweinemastanlage eingedrungen waren. Die Aufdeckung schwerster Missstände rechtfertige in diesem Fall die Verletzung des Hausrechts, urteilten die Richter. Es sei klar, dass sich Tierschützer durch das Urteil bestärkt fühlten, sagte König. Es bleibe jedoch immer eine Entscheidung im Einzelfall. Ob es seit dem Urteil vermehrt solche Aktionen von Tierschützern gebe, lasse sich nicht belegen.

König kritisierte, dass bei vielen Verbrauchern eine idealisierte Vorstellung der Nutztierhaltung vorherrsche, die wenig mit der Realität in den Ställen zu tun habe. Zum Teil seien dafür aber auch die Tierhalter selbst verantwortlich, weil sie in Werbekampagnen und Image-Borschüren dieses Bild von der grünen Wiese bewusst transportierten. "Da wird den Verbrauchern etwas vorgegaukelt, das so nicht stimmt", sagte König.

Das Tierwohl lasse sich nur in kleinen Schritten verbessern. König verwies darauf, dass das Schnabelkürzen bei Geflügel inzwischen abgeschafft wurde. Ab Januar 2019 sei es zudem verboten, Ferkel ohne Betäubung zu kastrieren. "Es ist viel in Bewegung, aber es bleibt auch noch viel zu tun." König mahnte auch weitere Gesetzesverschärfungen an. So gehöre die Haltung von Schweinen in engen Kastenständen ebenso verboten wie die sogenannte Anbinde-Haltung von Rindern. "Bislang ist es nicht verboten, dass Rinder die größte Zeit ihres Lebens angebunden im Stall verbringen."

König verwies darauf, dass das Tierschutzgesetz nicht verbiete, Tieren Schmerzen und Leid zuzufügen. Das dürfe nur nicht ohne vernünftigen Grund geschehen. "Lange Zeit wurde die Nutztierhaltung zur günstigen Fleischproduktion pauschal als ein solcher Grund anerkannt", sagte der Tierschutzbeauftragte. Momentan sei in diesem Bereich aber viel in Bewegung geraten. Auch Videos aus den Ställen trügen dazu bei.

Letztlich müssten die Konsumenten bereit sein, deutlich mehr für Fleischprodukte auszugeben, sagte König. Weil viele Produkte unzureichend gekennzeichnet seien, sei eine solche bewusste Entscheidung häufig aber gar nicht möglich. "Wir brauchen dringend eine klare Kennzeichnung der Haltungsformen. Das wäre ein Riesenfortschritt für das Tierwohl."

Informationen zum Tierschutzbeauftragten