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Über Weihnachten bieten Kirchen Geflüchteten Asyl

Viele Asylbewerber kamen auf dem Weg über andere europäische Länder nach Deutschland. Aus Furcht vor Abschiebung in diese Länder suchen manche von ihnen Schutz in einer Kirche.

23.12.2019, 09:30
Martin Schutt
Martin Schutt dpa-Zentralbild

Erfurt/Magdeburg (dpa) - In evangelischen Kirchengemeinden in Thüringen und Sachsen-Anhalt leben derzeit 16 geflüchtete Menschen im Kirchenasyl. Darunter sind zwei Familien mit insgesamt vier Kindern, wie die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) auf Anfrage mitteilte. Die Schutzsuchenden wollen erreichen, dass ihr Asylverfahren in Deutschland geführt wird und sie nicht in jene EU-Länder zurückgebracht werden, in denen sie auf ihrer Flucht zuerst ankamen. Um das zu verhindern, ist die Aufnahme in Kirchenräume für betroffene Asylbewerber in Deutschland das letzte Mittel. Nach den geltenden Regelungen ist das EU-Land für das Asylverfahren zuständig, in dem die Geflüchteten zuerst ankamen.

Das katholische Bistum Magdeburg hatte in diesem Jahr einen Fall von Kirchenasyl, wie eine Sprecherin mitteilte. Es habe sich um eine Familie mit zwei erwachsenen Söhnen und einem schulpflichtigen Kind gehandelt. Das Kirchenasyl sei nach etwa neun Monaten im November beendet worden. Die Familie befinde sich jetzt im deutschen Asylverfahren. In katholischen Kirchengemeinden in Thüringen gab es in diesem Jahr nach Angaben des Bistums Erfurt keine Kirchenasyle. Auch in der Evangelischen Landeskirche Anhalts sind keine bekannt geworden.

EKM-Landesbischof Friedrich Kramer kritisierte den Umgang der Behörden mit dem Kirchenasyl. "Es ist wirklich problematisch, dass das Kirchenasyl immer brutaler nicht beachtet wird, dass es immer schwerer ist, in Härtefallkommissionen damit durchzukommen", sagte er. Die Kirchen, die sich für eine Aufnahme entschieden, machten es sich damit nicht leicht. "Das haben sich die Kirchengemeinden gut überlegt, wenn sie das machen. Und ich finde, das muss Gehör finden." Kirchen seien als heilige Orte ebenso wie Synagogen und Moscheen Schutzorte, in denen ein Asylrecht bestehe.

Oft hätten die Geflüchteten in den Ankunftsländern Leid und Gewalt erlebt, sagte die EKM-Migrationsbeauftragte Cordula Haase. Andere fürchteten, aus anderen EU-Staaten in Länder wie den Iran oder nach Afghanistan zurückgeschickt zu werden, wo ihnen als Christen Verfolgung drohe. Häufig kämen im konkreten Einzelfall mehrere Gründe zusammen. Fast alle sogenannten Härtefalldossiers, die die Kirchengemeinden für ihre Schützlinge an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zur Einzelfallprüfung schicken müssen, werden laut EKM allerdings abgelehnt.

Folge sei die Verlängerung des Kirchenasyls, dessen Regelungen vor einiger Zeit verschärft worden waren. Erst nach 18 Monaten Schutz in kirchlichen Räumen und nicht wie zuvor nach sechs Monaten sind die Geflüchteten nunmehr vor einer Überstellung in die Ankunftsländer geschützt. Das stellt die gastgebenden Gemeinden nach EKM-Beobachtungen vor Herausforderungen. Sie müssen für einen deutlich längeren Zeitraum für Verpflegung, medizinische Versorgung und Kinderbetreuung sorgen.

Viele Verwaltungsgerichte sähen diese Fristverlängerung als rechtswidrig an, so Haase. Auch in Thüringen und Sachsen-Anhalt gibt es nach ihren Angaben erste Gerichtsentscheidungen, wonach Geflüchtete das Kirchenasyl schon früher verlassen dürfen. Insgesamt wurden im Laufe dieses Jahres in der EKM für 24 Menschen Kirchenasyle beendet, 4 in Sachsen-Anhalt und 20 in Thüringen.

Ökumenische Arbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche