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Verbandschef: Ernährungsindustrie verdient mehr Respekt

Mitten in der Corona-Krise bekommt die Ernährungswirtschaft einen neuen Chef-Lobbyisten. Vehid Alemic soll knapp 300 Essensproduzenten durch die Pandemie geleiten. Für seine Kollegen wünscht er sich etwas mehr Anerkennung - und Schutzkleidung.

13.04.2020, 09:57

Hannover/Magdeburg (dpa) - Fernfahrer und Mitarbeiter von Supermärkten bekommen für ihren Einsatz in der Corona-Krise viel Applaus. Der neue Chef des Verbands der Ernährungswirtschaft Niedersachsen, Bremen, Sachsen-Anhalt (VdEW), Vehid Alemic, wünscht sich auch für die Menschen, die die begehrten Lebensmittel herstellen, etwas mehr Anerkennung. "In der öffentlichen Wahrnehmung werden die 6000 Betriebe und 600 000 Mitarbeiter der Lebensmittelwirtschaft aus meiner Sicht ein bisschen vergessen", sagte Alemic der Deutschen Presse-Agentur. "Die Rolle der Ernährungswirtschaft in der Corona-Krise ist wesentlich."

Die Mitglieder seines Verbandes meisterten derzeit dank motivierter Mitarbeiter große Herausforderungen und stelle damit die Versorgung mit Lebensmitteln sicher. Das Ansehen der Industrie werde dem nicht gerecht. "In den letzten Jahren musste die Branche immer wieder viel Kritik aushalten", sagte der 40-Jährige. "Ich würde mir wünschen, dass sich das etwas ändert." Immerhin zeige sich gerade jetzt, wie wichtig eine zuverlässige Versorgung mit Nahrungsmitteln ist.

Doch Alemic geht es nicht nur um Wertschätzung. Die Lebensmittel in Deutschland würden unter höchsten hygienischen Standards produziert - dafür bräuchte die Branche, wie auch schon vor der Krise, Schutzkleidung sowie Reinigungs- und Desinfektionsmittel. "Da darf die Ernährungswirtschaft nicht vergessen werden", forderte der Verbandschef. Für Artikel, die zuvor einige Cent gekostet hätten, würden wegen der hohen Nachfrage inzwischen Eurobeträge aufgerufen.

Alemic übernimmt die Verbandsleitung am Montag - pünktlich zum 65. Geburtstag seines Vorgängers Michael Andritzky, der den VdEW ganze 35 Jahre lang leitete. Alemic vertritt dann die Interessen von rund 280 Betriebe in den drei Bundesländern. Eigentlich war die Amtsübernahme für eine Mitgliederversammlung geplant gewesen - dank Corona geht sie jetzt im Stillen über die Bühne. Nach der Krise will sich der Jurist vor allem um eine ausgewogene Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern kümmern. "Wir wollen Konflikte lösen und aus den Betrieben raushalten", sagte Alemic.

Doch bevor es soweit ist hat er den Verband noch durch die Krise zu manövrieren. Obwohl die Branche die hohe Nachfrage an Lebensmitteln im Einzelhandel befriedigen kann, berge Corona auch für seine Mitglieder große Gefahren. So würden etwa Hamsterkäufe die zukünftige Nachfrage nach den gehamsterten Produkten auswirken. "Wie sich das Kaufverhalten ändern wird, wenn wir das öffentliche Leben wieder hochfahren, weiß niemand", gibt Alemic zu bedenken. Nudeln, Mehl und Konserven würden nach der Krise ja nicht einfach aus den Regalen der Kunden verschwinden, sondern dann verbraucht.

Außerdem würde die Nahrungsindustrie nicht nur für Supermärkte produzieren. "Da die Nachfrage im Einzelhandel gestiegen und im Großhandel gesunken sind, werden Kapazitäten verlagert. Das geht aber nicht immer auf - das ist das Problem." So hätten etwa Unternehmen, deren Absatzmärkte in Italien oder Spanien liegen große Umsatzeinbußen. Außerdem treffe die Schließung der Restaurants viele Produzenten hart. "Teilweise gibt es Einbrüche von 20 bis 30 Prozent, weil das Gastro-Geschäft eingebrochen ist."