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Schüleraustausch Mit neuen Erfahrungen nach Hause

Für junge Leute gibt es verschiedene Möglichkeiten, Zeit in einem anderen Land zu verbringen. Ein Blick nach Zernitz.

Von Petra Wiese 21.02.2020, 00:01

Zernitz l Ein halbes Jahr geht schnell vorüber. Für Sárka Hofmanova hieß es vor den Winterferien schon wieder Abschied nehmen – von ihrer Klasse am Zerbster Gymnasium Francisceum, von neuen Freunden, von der Gastfamilie. Die 17-Jährige Tschechin aus Hradec Kralove, was etwa 100 Kilometer östlich von Prag liegt, kam im August 2019 zum Schuljahresanfang nach Deutschland. Sie wollte Auslandserfahrung sammeln, neue Leute kennen lernen, und sie mochte Deutsch, eines ihrer Lieblingsfächer in der Schule. „Mein Bruder war in Amerika“, erzählte sie, aber so weit wollten die Eltern die Tochter nicht so gerne lassen. Da ergab es sich über Kontakte, dass Sárka bei Familie Thomalla in Zernitz landete.

„Wir hatten ein Zimmer frei“, erzählte Ina Thomalla, wie alles zustande kam. Ihr Chef – Kiefernorthopäde in Roßlau und der Vater von Sarka – ebenfalls Kiefernorthopäde – arbeiteten miteinander. Als Ina Thomalla ihren Chef, der auch als Dozent an der Uni in Hradec Kralove tätig war, mal begleitete, lernte sie Sárkas Vater kennen, der von seiner Tochter erzählte. Schon vor zwei Jahren war dann abgesprochen, dass das Mädchen bei der Zernitzer Familie wohnen könnte. Nun musste nur noch eine Organisation, ein Programm für den Austausch gefunden werden. Das war dann gar nicht so einfach. Über STS Sprachreisen ging schließlich alles seinen geregelten Gang.

In eine 10. Klasse wurde die Sprachschülerin zunächst gesteckt, doch da blieb sie nur zwei Tage, schließlich war Sarka zwei Jahre älter als der Rest der Klasse, weshalb sie schnell in eine 11. Klasse wechselte. Doch am Ende waren die Kontakte zu den Zehntklässlern doch intensiver. Der Fachunterricht stand für die Austauschschülerin, die in ihrer Heimat sozusagen das erste Halbjahr der 12. Klasse verpasste, nicht im Vordergrund. Deutsch zu lernen war die Herausforderung. Zwei Deutschkurse belegte sie, so dass hier zehn Stunden pro Woche zusammen kamen. Aber am meisten lernt man die Sprache ja bekanntlich im Umgang mit den Menschen vor Ort.

„Anfangs habe ich ganz langsam gesprochen“, erinnerte sich Ina Thomalla, das brauchte sie bald nicht mehr. „Ich verstehe fast alles“, sagte Sárka vor ihrer Abreise. Das Sprechen sei schwieriger. Am Anfang sei es ihr sogar peinlich gewesen, etwas zu sagen. Nun wird sie es leichter haben im Deutschunterricht an ihrem Gymnasium in Hradec Kralove.

Nach der Rückkehr startete sie gleich in das zweite Halbjahr der 12. Klasse. Wiederholen kam für die sehr gute Schülerin nicht in Frage, dazu mochte sie ihre alte Klasse zu sehr. Dafür muss sie alle Tests des ersten Halbjahres nachholen. Doch bis zum Abi-tur gibt es im Gegensatz zu hier bei Sárka noch das 13. Schuljahr.

Bei ihrer Gastfamilie in Zernitz war Sárka gut aufgenommen worden. Eine Zuckertüte gab‘s zum ersten Schultag. Dass sie mit ländlicher Umgebung und Hund im Haus klar kommen müsste, wusste die junge Tschechin, das wollte sie gerne testen. Das freie Zimmer war das von Thomallas Tochter Laura, die inzwischen woanders lebt. Dafür erwies es sich als vorteilhaft, dass Sohn Jonas (21) in der Zeit, wo Sárka zu Gast war, im Rahmen seines dualen Studiums auch zu Hause wohnte. Die beiden verstanden sich auf Anhieb. Und die Familie strengte sich an, ihrem Gastkind auch ein bisschen was von Deutschland zu zeigen.

Nach Hamburg, Berlin und an die Ostsee ging es gemeinsam. Einmal in der Ostsee baden, das stand auch auf der Liste, mit der Sarka nach Deutschland gekommen war. Lauter Punkte, was sie tun und erleben wollte. Da spielte es auch keine Rolle, dass man im Dezember an der Ostsee war – mutig stürzte sich das Mädchen ins kalte Wasser. Kino und Fußball erlebte Sárka in Deutschland. „Zu Hause ist mehr Eishockey angesagt als Fußball“, erzählte sie.

An den Wochenenden war sie mit den neuen Freundinnen aus der Schule unterwegs, auch nach der Schule traf man sich. Soweit es das Wetter zuließ, nahm Sárka das Fahrrad nach Zerbst. Mit einer Gastschülerin aus Italien wurde die Freundschaft besonders eng. Schließlich war man in derselben Situation. Gegenseitige Besuche in der Heimat sind nun geplant.

„Die Leute hier sind gar nicht so anders als wir“, konnte Sarka nach ihren sechs Monaten sagen. Das Essen – ein bisschen anders – „es gibt viele Würstchen“. Mit der tschechischen Küche machte sie ihre Gasteltern hin und wieder bekannt, kochte und backte ein paar leckere Sachen. Die gemeinsamen Mahlzeiten mit der Familie fand die 17-Jährige besonders schön, das war sie von zu Hause nicht so gewohnt. „Das werde ich später auch mal so machen“, meinte sie.

Für Ina und André Thomalla war die Rolle der Gasteltern auch eine ganz neue Erfahrung. „Die Verantwortung ist nicht ganz ohne“, gibt Ina Thomalla zu bedenken. Da mache man sich fast noch mehr Gedanken als bei den eigenen Kindern. Man möchte, dass es dem Gastkind gut geht und, dass es sich wohl fühlt. Aber man muss auch offen sein und jemand Fremdes in seiner Nähe zulassen. Familien ohne Kinder würde sie das vielleicht nicht unbedingt empfehlen.

„Mit Sárka haben wir mal wieder Sachen gemacht, wie schon lange nicht mehr“, so Ina Thomalla. Das sei mal wieder ein schöner Anstoß gewesen. Der Kontakt wird auf jeden Fall bestehen bleiben. Im Juni haben die Zernitzer eine Einladung nach Tschechien. Auch das Abschiedsgeschenk ihrer Klassenkameraden wird Sarka in Ehren halten. Und vielleicht verschlägt es die junge Frau wieder einmal nach Deutschland, vielleicht im Rahmen ihres Studiums. Das kann sich Sarka schon gut vorstellen.